Famcons nutzt Virtual Reality für die Psychotherapie
Der Einsatz von Virtual Reality (VR) in der Psychotherapie ist wissenschaftlich längst anerkannt. Das Famcons Institut aus Hamburg geht dabei ganz neue Wege. Es kreiert Begegnungen mit Avataren des Selbst und wichtiger Bezugspersonen, um Traumata und Depressionen zu überwinden.
Christian Lessiak kommt aus einer Medizinerfamilie und hat in seiner ursprünglichen Heimat Österreich ein Psychologiestudium zwar angefangen, aber nicht beendet, da ihm konkrete Heilungen wichtiger sind als abstrakte Statistiken. Nebenbei arbeitete er als Schauspieler, hauptsächlich widmete er sich seiner Ausbildung zum Heilpraktiker für Psychotherapie. Dabei verfolgte er eine Reihe von Ansätzen, auch mit Hypnose beschäftigte er sich. Wichtige Erfahrungen sammelte er 2009 in Palo Alto, Kalifornien. Dort gibt es unter anderem eine Klinik für Kriegsveteranen, die unter Posttraumatischen Belastungsstörungen leiden.
Die Idee entstand vor fast 15 Jahren
In Palo Alto lernte Christian einen NASA-Mathematiker kennen, der sich eine Taucherbrille zu einem VR-Headset umgebaut hatte. Wie wäre es, wenn ein Soldat in der Virtuellen Realität seine traumatisierende Kriegserfahrung noch einmal durchleben und so besser verarbeiten könnte? Das war damals nur ein Gedankenspiel und ist es noch heute. Christian war jedenfalls von der neuen Technologie fasziniert und sah früh die Einsatzmöglichkeiten in der Behandlung psychischer Leiden.
Da seine Frau aus Hamburg stammt, eröffnete er hier 2007 seine Privatpraxis für Psychotherapie und beschäftigte sich hauptsächlich mit Depressionen und Traumata. Als Familientherapeut stellte er fest, dass sich über das Unterbewusstsein ein Trauma über Generationen quasi vererben kann. So können Menschen Erlebnisse belasten, die sie nur aus Erzählungen der Großeltern kennen oder die deren Verhaltensweisen geprägt haben.
Avatare stehen im Mittelpunkt der VR-Therapie
2016 hatten VR-Brillen technisch bereits eine Entwicklung gemacht, die für Christian die intensivere Beschäftigung mit ihnen sinnvoll werden ließ. Er entwickelte eine Methode, die sich W.A.Y.N. nennt – Abkürzung für „Who Are You Now?“. Am Anfang steht immer ein Beratungsgespräch, aus dem sich ein Therapieplan ergibt. Dabei kann VR eine wichtige Rolle spielen, muss aber nicht. Für das Agieren in der virtuellen Welt wird ein Avatar der zu behandelnden Person erstellt und bei Bedarf auch von anderen Personen, die für die Aufarbeitung eines Traumas eine wichtige Rolle spielen, beispielsweise die Eltern.
Die Avatare lassen sich nach Bedarf verjüngen und altern, je nachdem, was für eine Situation durchgespielt werden soll. Ein Patient kann beispielsweise als Kind seinem Vater begegnen oder sich selbst in 20 Jahren. In dieser Konstellation kann er Gefühle von Schuld oder Minderwertigkeit aussprechen und vieles mehr. Eine Antwort wird er allerdings nicht bekommen, denn die Avatare sind stumm. Dieses Therapieelement bietet Christian in seinem 2022 gegründeten Famcons Institut an. Wichtigster Mitstreiter ist dort Dr. Tore Langholz, den er vor etwa vier Jahren kennengelernt hat. Der Wissenschaftstheoretiker ist zuständig für die Entwicklung der Technologie. Er definiert die Vorgaben, die Softwareprogrammierer dann umsetzen.
Famcons hat noch viel Entwicklungspotenzial
Die dabei erzielten Fortschritte sind bemerkenswert. Dauerte es vor gar nicht langer Zeit noch drei Wochen, bis ein realistisch wirkender Avatar erstellt war, genügt inzwischen eine Stunde. Das reduziert selbstverständlich auch die Kosten. Die Begegnungen mit den Avataren finden zurzeit noch in einfach gestalteten virtuellen Räumen mit Meerblick und veränderbarer Lichtstimmung statt. Zukünftig sind aber wesentlich individuellere Designs denkbar. Dann lassen sich traumatische Erlebnisse noch genauer rekonstruieren und idealerweise überschreiben. Wichtig: Die Patienten werden dabei niemals allein gelassen und sollten sich auch nicht zu lange in digitalen Parallelwelten aufhalten. 20 bis 30 Minuten müssen reichen, sonst besteht die Gefahr, dass das Gehirn sich umzuprogrammieren beginnt.
Noch steckt das Verfahren in den Kinderschuhen und Famcoms leistet hier echte Pionierarbeit. Christian konnte aber schon mehrfach feststellen, dass er durch den Einsatz von VR deutlich schneller zum Erfolg gelangte als mit ausschließlich herkömmlichen Methoden. Angesichts der Tatsache, dass die Wartezeit bei einem Therapieplatz oft viele Monate beträgt, ist das eine gute Nachricht. Krankenkassen zahlen dafür übrigens nicht, Christian hat bisher unabhängig gearbeitet und wird das auch weiterhin tun. Finanziert hat er die Entwicklung von Famcons aus eigener Tasche und ist dabei schuldenfrei geblieben, Erst bei der Gründung hat er von einem Business Angel Unterstützung erhalten. Weitere Investoren wären willkommen, den in der Virtual Reality gibt es noch viel zu entdecken – und viel zu helfen.