EUflight zahlt bei verspäteten oder ausgefallenen Flügen
Verspätete und ausgefallene Flüge sind ein Ärgernis, mit dem sich immer mehr Passagiere herumschlagen müssen. Zwar haben Betroffene ein Recht auf eine Entschädigungszahlung, aber die landet nicht von selbst auf dem Konto. Zahlreiche Startups helfen dabei, das Geld einzutreiben. Eines davon ist EUflight aus Hamburg.
Am 17. Februar 2005 trat die Fluggastrechte-Verordnung der EU in Kraft. Die besagt in Kurzform, dass Passagiere von Flügen mit Start oder Ziel in der EU ein Recht auf Ausgleichsleistungen haben im Falle von Nichtbeförderung, insbesondere bei Überbuchungen, bei Flugausfall und mehrstündiger Verspätung. Es gibt Ausnahmen, auf die wir aber hier nicht näher eingehen wollen. Die Höhe der von der Airline zu zahlenden Summe ist abhängig von der Flugdistanz. Bis 1.500 km sind es 250 Euro, zwischen 1.500 und 3.500 km 400 Euro und bei noch längeren Strecken 600 Euro. Übrigens völlig unabhängig davon, ob man einen Billigflieger gebucht hat oder First Class mit allem Komfort.
Fluggasthelfer sorgen für Ausgleichsleistungen
Im Prinzip eine ziemlich eindeutige Angelegenheit, aber wie so oft in juristischen Fragen steckt der Teufel im Detail. Kaum eine Fluggesellschaft wird die Zahlung aus eigenem Antrieb vornehmen, die Betroffenen müssen schon selbst aktiv werden und den Rechtsweg einschlagen. Für den Einzelnen ist das mühsam und zeitaufwendig, weshalb sich eine ganze Reihe von Startups auf das Geschäftsmodell spezialisiert hat, Geschädigten die Arbeit abzunehmen und dafür eine Provision zu kassieren.
Fluggasthelfer nennen sich solche Unternehmen. Über 30 davon gibt es allein in Deutschland, schätzt Dr. Lars Watermann, Geschäftsführer der EUflight.de GmbH. Der ist eigentlich M&A-Experte, also mit Transaktionen im Unternehmensbereich beschäftigt. 2015 kam er nach einem Gespräch mit einem Anwalt, der Fluggäste in zahlreichen Fällen betreut hat, auf die Idee EUflight zu gründen. Die meisten Mitbewerber arbeiten nach der Inkasso-Methode, das heißt, die Kunden erhalten erst ihre Ausgleichszahlung, wenn das von ihnen beauftragte Unternehmen erfolgreich war. Das kann auch mal länger dauern.
Bei EUflight bekommen Betroffene sofort Geld
EUflight wendet dagegen das Factoring-Verfahren an. Nach der Prüfung eines Reklamationsfalls kauft das Startup die Forderung dem Geschädigten ab und zahlt ihn sofort aus. EUflight trägt also das Risiko, ob eine Fluggesellschaft willens und in der Lage ist den Ausgleich zu leisten. Dafür liegt der Provisionssatz mit 35 % höher als bei Inkassounternehmen. Seit dem Start im Jahr 2016 sind schon über 40.000 Kunden diesen Weg gegangen.
Das Geschäftsmodell ist mit einer Reihe von Tücken verbunden. Zunächst muss geprüft werden, ob ein Antragsteller überhaupt Anspruch hat. EUflight setzt bei der Prüfung nicht auf Algorithmen und künstliche Intelligenz, sondern auf menschliche Fachkräfte. Die konnten auch schon Betrugsfälle aufdecken, bevor Geld geflossen war. Ein weiterer Risikofaktor sind die Fluggesellschaften selbst, die höchst unterschiedlich reagieren. Den meisten fehlen die internen Strukturen, das Problem angemessen zu bewältigen. Manche sind schnell zur Zahlung bereit, andere stellen sich grundsätzlich quer und lassen es auf ein Verfahren ankommen, auch wenn sie am Ende fast immer zahlen müssen.
Insolvenzen sind das größte Risiko für Fluggasthelfer
Und dann sind da noch die Insolvenzen, die in der Branche regelmäßig Turbulenzen verursachen. Ein besonders spektakulärer Fall war 2017 Air Berlin, es folgten unter anderen Niki, Small Planet und eine Reihe weiterer kleiner Billiganbieter. Kürzlich erwischte es Germania und gerade erst am Wochenende die britische Flybmi, wahrscheinlich ein Kollateralschaden des Brexit. Hat EUflight vor der Pleite Forderungen an eine solche Airline übernommen, ist das Geld mit ziemlicher Sicherheit futsch.
Bei allen Risiken: Das Potenzial für Entschädigungszahlungen ist enorm. Watermann schätzt es europaweit auf fünf Milliarden Euro jährlich. Deshalb ist ständig Bewegung im Markt der Fluggasthelfer. Ein Pionier war bei seiner Gründung 2010 Flightright aus Potsdam. Anfang 2019 übernahm die Intermedia Vermögensverwaltung GmbH das Unternehmen. Gut ein halbes Jahr vor diesem Exit hatte Flightright den Mitbewerber Flugrechte.de gekauft. Dessen Gründerin Dana Oppermann ist kurz darauf in die Geschäftsführung von EUflight eingestiegen und kümmert sich dort vor allem um Marketing und IT. Ein weiterer in Hamburg beheimateter Anbieter ist Wir Kaufen Deinen Flug, in den Markt gebracht von Kreditech-Gründer Sebastian Diemer, der sich inzwischen hauptsächlich mit dem Cannabis-Startup Farmako beschäftigt.
Insolvenzen sind das größte Risiko für Fluggasthelfer
In diesem Umfeld ist Marketing ein entscheidender Erfolgsfaktor. EUflight investiert im Monat einen nennenswerten fünfstelligen Betrag in Google Ads, um bei den Suchergebnissen ganz oben zu bleiben. Wachsen soll das Startup in einem vernünftigen Rahmen. Momentan besteht das Team aus 17 Personen, die im Wesentlichen mit der Fallprüfung beschäftigt sind. Eine richtige IT-Abteilung gibt es nicht und auch keine eigenen Anwälte. Den Gang vor Gericht erledigen externe Juristen. Theoretisch könnte das Geschäftsmodell jederzeit zusammenbrechen, wenn eine Gesetzesänderung eintritt oder sich die Fluggesellschaften kollektiv dafür entscheiden, ohne Umstände zu zahlen. Beides wird so schnell nicht geschehen, sodass der Markt für Fluggasthelfer wohl weiterhin turbulent, aber auch attraktiv bleibt.
Fotos: EUflight