Ein Geister-Startup bei „Die Höhle der Löwen“
Ein Startup, das schon vor der Ausstrahlung der Sendung den Geist aufgegeben hat – das gab es so noch nicht bei „Die Höhle der Löwen“. Ist es easyBeeBox, POCKETSY, FLÜWA, Kulero oder munevo? Wir verraten es euch und fassen zusammen, wie es den anderen ergangen ist.
easyBeeBox will Bienen in jeden Garten bringen
Die Honigbiene ist zu einem Symboltier für den Umweltschutz geworden, da sie unverzichtbare Dienste bei der Bestäubung von Pflanzen leistet. Vom Aussterben bedroht ist sie zum Glück nicht, dafür sorgen geschätzte 130.000 Imker in Deutschland. Die meisten davon betreiben die Bienenzucht als Hobby. Die Biotechnologiestudenten Nick Peters und Jan-Angelus Meyer möchten dafür sorgen, dass es noch viele mehr werden. Deshalb haben sie die easyBeeBox entwickelt, die Platz in jedem Privatgarten haben könnte. Dieser Bienenkasten soll auch Laien die Bienenhaltung und die damit verbundene Honigernte ermöglichen. Für Sicherheit sorgt ein Mehrkammer- und Schiebersystem, Erklärvideos geben praktische Anleitungen.
Die Löwen finden die Idee grundsätzlich großartig. Etwas unheimlich ist ihnen die Vorstellung, im Sommer bis zu 35.000 Bienen im heimischen Garten herumfliegen zu haben. Steuern die nicht automatisch Getränke, Kuchen und andere Speisen an? Nein, das täten nur Wespen, Bienen hätten daran kein Interesse, erfahren wir. Als Allergiker ist Ralf Dümmel trotzdem vorsichtshalber raus, und das ganz große Geschäft ist wahrscheinlich auch nicht zu erwarten. Nils Glagau stört das nicht, er möchte easyBeeBox unterstützen und bietet 150.000 Euro für 25 %. Nach Rücksprache mit dem dritten Gründer geht das in Ordnung.
POCKETSY machte den BH zur Handtasche
Wenn es um Damenunterwäsche geht, glaubt Judith Williams schon alles gesehen und im Zweifelsfall auch verkauft zu haben. Stimmt nicht, behaupten Paula Essam und Dilara Cakirhan, die Gründerinnen von POCKETSY. Sie haben einen BH mit diversen Seitentaschen entwickelt, in dem Frauen ihre wichtigsten Utensilien verstauen und daher auf eine Handtasche verzichten können. Das soll auch nicht drücken oder ausbeulen und sonst wie unangenehm auffallen.
Ganz so neu sei das nicht, kontert Judith Williams, bei Sport-BHs gäbe es das schon und sei nicht wirklich erfolgreich. Problematisch ist auch die Marketingstrategie: Der Onlineshop und Pop-up Stores sollen es bringen. Das ist nichts für Einzelhandelsexperten wie Ralf Dümmel. Das größte Manko ist allerdings die mangelnde Fokussierung der Gründerinnen. So ist Paula ein hyperaktives Multitalent, spricht sechs Sprachen und würde eine Schauspiel- einer Startup-Karriere jederzeit vorziehen. Tatsächlich haben sie und Dilara inzwischen andere berufliche Wege eingeschlagen, POCKETSY hat zum 31. Dezember 2020 den Betrieb eingestellt.
FLÜWA verleiht der Wasserwaage Flügel
Der ideale Kandidat für einen Deal mit Ralf Dümmel ist ein älterer Mann, der jahrzehntelange Berufserfahrung bevorzugt im handwerklichen Bereich mitbringt. Er ist bereits in Rente oder kurz davor und hat ein Produkt erfunden, das sich massenhaft in Baumärkten verkaufen lässt. Außerdem verlangt er wenig Geld für ordentliche Unternehmensanteile, ist also sehr zurückhaltend bei der Bewertung. Auftritt Karlheinz Voll (68), Tiefbauingenieur, Maurer und Galerist. Alle drei Berufe haben gemeinsam, das bei ihnen nicht schiefgehen oder -hängen sollte. Das klassische Werkzeug, um das zu gewährleisten, ist die Wasserwaage.
Unter dem Namen FLÜWA hat der Gründer sie weiterentwickelt und ihr einen ausklappbaren Flügel verpasst. So lässt sich in zwei Richtungen gleichzeitig feststellen, ob alles mit waagerechten Dingen zugeht. Die Spannung, wie dieser Pitch ausgeht, hält sich in Grenzen. Dümmel ist bereit, 60.000 Euro zu investieren, will statt der gebotenen 20 %, lieber 30 % und der Deal ist ohne Geziere und Geschacher beschlossene Sache.
Kulero lockt mit leckeren Löffeln
Plastikmüll ist überall auf der Welt ein ernstes Problem, aber besonders stark betroffen ist Indien. Hermant Chawala hat deshalb dort einen essbaren Einweglöffel entwickelt und zusammen mit seinen Cousins schon auf einigen internationalen Märkten erste Schritte gemacht. Nun möchte er mit Kulero (Esperanto für Löffel) den europäischen Markt erobern. Den Kulero gibt es in diversen süßen und herzhaften Geschmacksrichtungen, er hat eine gute Haltbarkeit und sieht durchaus edel aus. Allerdings stellt er keine einzigartige Innovation dar, auf die Idee eines essbaren Löffela sind auch schon andere gekommen.
Viel spannender an diesem Pitch ist daher die Dramaturgie der Verhandlungen. Das Ursprungsangebot liegt bei 200.000 Euro für 10 %. Dagmar Wöhrl, Nico Rosberg und Nils Glagau wollen gemeinsam einsteigen, verlangen dafür aber 33 %. Das liegt weit entfernt von den Vorstellungen von Chawla und seiner Geschäftspartnerin Juliane Schöning, sie bieten im Gegenzug 14 %. Daraufhin steigt Rosberg aus und Wöhrl und Glagau gehen auf 20 % runter. Jetzt lautet das Gegenangebot 15 %. Glagau ist als nächster raus und Wöhrl wäre mit 14 % zufrieden. Nun soll plötzlich wieder nur das Anfangsangebot von 10 % gelten. Wöhrl sagt ab und gleich wieder zu. Eine kleine Lehrstunde darüber, wie man geschickt verhandelt. Oder auch nicht, denn offensichtlich wollte Kulero gar keinen Deal und hat hinterher schnöde per Mail abgesagt.
munevo steuert Rollstühle mit dem Kopf
Neben dem typischen Dümmel-Deal (siehe FLÜWA) gibt es noch einige andere DHDL-Klassiker. Zu ihnen gehört das Medizinprodukt, das die Twitter-Gemeinde („Endlich mal etwas Sinnvolles!“) und die Löwen gleichermaßen begeistert. Um dann ohne Investment die Höhle wieder verlassen zu müssen. Das Startup munevo, das Konstantin Madaus und Claudiu Leverenz in der Sendung vertreten, ist aus einem Projekt an der TU München entstanden. Es bietet eine Hilfe für Rollstuhlfahrer, die so stark beeinträchtigt sind, dass sie ihre Hände nicht mehr zur Steuerung einsetzen können. Zum Einsatz kommen dabei Smartglasses, die schon auf leichte Kopfbewegungen reagieren und so den Rollstuhl lenken.
Das Erfindung ist in Deutschland bereits als Medizinprodukt zugelassen und eine Krankenkasse hat dafür schon in einem Fall die Kosten erstattet. Die sind nicht unerheblich, um die 11.000 Euro für das komplette System (ohne Rollstuhl, aber mit üppiger Marge). „Gänsehau-Startup“ urteilt Judith Williams und ist raus, wie alle anderen auch. Die Begründungen sind altbekannt: Die Branche sei schwer zugänglich, der Vertrieb komplex und die Bewertung viel zu hoch bei 800.000 Euro für 10 %. Carsten Maschmeyer könnte sich das trotzdem leisten, ist aber zusammen mit Georg Kofler bei dem elektrischen Rollator von ello auf die Nase gefallen und scheut das Risiko. Immerhin verspricht er den Gründern, sie mit seinem Netzwerk zu unterstützen.
Beitragsbild: TVNOW / Stefan Gregorowius