DiConneX betreibt Zwillingskunde der digitalen Art
Nein, ein digitaler Zwilling ist nicht der virtuelle Doppelgänger einer realen Person. Vielmehr findet man ihn immer häufiger bei Immobilien, vor, während und nach der Bauphase. Das Hamburger Startup DiConneX hat sich auf solche Zwillinge spezialisiert. Wie sie entstehen, was sich hinter dem Kürzel BIM verbirgt und was das Forschungsschiff Polarstern damit zu tun hat, verraten wir in diesem Beitrag.
Was haben der englische Begriff Building Information Modelling und sein deutsches Pendant Bauwerksdatenmodellierung gemeinsam? Sie sind viel zu umständlich. Deshalb werden wir in diesem Text ab sofort nur noch die sympathisch klingende Abkürzung BIM verwenden. BIM, so heißt es bei Wikipedia, „beschreibt eine Methode der vernetzten Planung, Ausführung und Bewirtschaftung von Gebäuden und anderen Bauwerken mithilfe von Software.“ Einer der führenden Experten und Pioniere auf diesem Gebiet ist Jörg Jungedeitering. Sein Know-how holte er sich an der Jade Hochschule in Oldenburg, die deutschlandweit in Sachen BIM ganz vorn dabei ist.
Mitte 2016 gründete Jörg sein Startup DiConneX, um sein Fachwissen kommerziell nutzen zu können. Das Kerngeschäft von DiConneX ist die Erstellung digitaler Zwillinge. Digitale Zwillinge gibt es grundsätzlich in zwei Varianten. Bei unseren Beispielen konzentrieren wir uns auf Gebäude, weil das auch das Hauptbetätigungsfeld von DiConneX ist. Variante eins ist die Erstellung einer virtuellen Immobilie, die erst noch gebaut werden soll. Die dreidimensionale Darstellung eines solchen Objekts erleichtert die koordinierte Planung aller beteiligten Unternehmen mithilfe nur einer Informationsquelle und ermöglicht beispielsweise Innenarchitekten die Begehung zu gestaltender Räume.
Ein „High-Tech-Rollator“ erstellt den digitalen Zwilling
Die Spezialität von DiConneX ist allerdings Variante zwei, der digitale Zwilling eines bereits existierenden Gebäudes. Bei der digitalen Erfassung kommt ein Gerät des Münchner Unternehmens NavVis zum Einsatz, das ein wenig an einen futuristischen Rollator erinnert und die Modellbezeichnung M6 trägt. Bestückt ist M6 mit Laserscannern und Kameras, die den Raum definierende Punktwolken und 360-Grad-Bilder liefern. Die Handhabung ist denkbar einfach: Man schiebt M6 einfach zu den vermessenden Raum und muss dabei nicht jeden Quadratzentimeter ablaufen. Für eine höhere Präzision empfiehlt es sich allerdings, seinen Laufweg mehrmals zu durchkreuzen. Je nach Größe und Verwinklung der Räume lassen sich bis zu 30.000 Quadratmeter an einem Tag erfassen.
Der digitale Zwilling ist noch längst nicht alles, was BIM aus dem Hause DiConneX ausmacht. Das Startup definiert sich primär als Softwareunternehmen und legt auch großen Wert auf die Kundenberatung. Im Beratungsgespräch wird zunächst geklärt, welche Aufgaben der Zwilling erfüllen soll. Das können Wartungsfunktionen sein oder auch die Festlegung eines Termin- und Ablaufplans eines Reinigungsteams. Dann gilt es, die dafür benötigten Daten zu sammeln und auszuwerten, idealerweise permanent und in Echtzeit. Dabei entsteht kein starres System, Erweiterungen sind jederzeit möglich.
Vorzeigeprojekte: BMW Welt und Polarstern
Ein Vorzeigeprojekt von DiConneX ist der digitale Zwilling der BMW Welt, einer Ausstellungs- und Erlebnisstätte des Münchner Automobilkonzerns. Die Touristenattraktion ist an sieben Tagen die Woche und fast rund um die Uhr geöffnet, weshalb der Scanprozess genau geplant werden musste. Mal standen 14 Stunden am Stück zur Verfügung, mal waren es nur zwei. Eine Herausforderung stellte auch das Forschungsschiff Polarstern dar. Der Auftrag lief dann aber weniger kompliziert ab als vermutet. Binnen drei Tagen konnte das DiConneX-Team über 80 % des Schiffes digitalisieren. Der so entstandene Zwilling bietet den Besatzungsmitgliedern der Polarstern, die aus 17 Nationen stammen, vorab eine Bordbesichtigung ohne kosten- und zeitaufwendige Anreise.
Für BIM gibt es noch viele weitere Anwendungsmöglichkeiten, etwa die regelmäßige Kontrolle von Baustellen oder die Vernetzung von realen Shoppingcentern mit Onlineshops. DiConneX hat sich in diesem Bereich hierzulande eine führende Position erarbeitet. Im internationalen Vergleich hinke Deutschland gegenüber den führenden Nationen jedoch fünf bis zehn Jahre hinterher, konstatiert Jörg Jungedeitering. Bei der Definition von Standards und technologischen Entwicklungen seien wir mit an der Spitze, bei der konkreten Umsetzung preschen dann andere vor.
DiConnex möchte Proptech populärer machen
Auch deshalb möchten Jörg und sein Team – DiConneX hat mittlerweile insgesamt 12 Mitarbeiter – mehr für die hiesige und speziell Hamburgische Proptech-Szene tun. Proptechs, also Digitalunternehmen, die sich um die Immobilienbranche kümmern, stehen bei der Aufmerksamkeit noch im Schatten von Startups aus Bereichen wie Medien und Logistik. Auch gelten sie nicht als so cool wie solche, die mit dem Einsatz von Blockchain oder künstlicher Intelligenz hausieren gehen. Bei digitalen Zwillingen ist aber vermehrt auch Virtual und vor allen Augmented Reality im Spiel. Damit sollte dann auch BIM für genug Bamm und Bumm in der Öffentlichkeit sorgen.