DESY hat große Pläne für Startups
Das Deutsche Elektronen-Synchrotron, kurz DESY, steht für Grundlagenforschung der Spitzenklasse. Seit einigen Jahren werden dort aber nicht nur Teilchen beschleunigt, auch für einige Startups ist das Zentrum in Hamburg-Bahrenfeld schon zum Sprungbrett geworden. Und für die kommenden Jahre ist noch eine Menge in dieser Richtung geplant. Was, fassen wir in diesem Beitrag zusammen.
Physik ist eine exakte Wissenschaft, doch manchmal bringt auch eine kleine Ungenauigkeit den Fortschritt. So bei einem Test, den ein DESY-Team mit einem Chip durchgeführt hat. Auf diesem Chip war eine Nanoschicht aufgetragen worden, allerdings nicht so ebenmäßig wie geplant. Das ergab eine Untersuchung mit der Röntgenstrahlung, die PETRA III liefert, die weltbeste Anlage ihrer Art. Durch die „schief“ aufgetragene Schicht veränderte sich die Eigenschaft des Chips, was ihn für die Autoindustrie interessant macht, die einen immer größeren Bedarf an Sensoren hat.
Momentan läuft der Validierungsprozess mit der Autoindustrie. Das kann dauern, denn die damit verbundenen Prozesse sind komplex, von der grundlegenden Entdeckung bis zur Marktreife können drei Jahre vergehen, oder auch zehn. Trotzdem zeigt dieses Beispiel, dass DESY nicht ein Elfenbeinturm weltfremder Forscher auf der Suche nach den letzten Antworten ist, sondern praktische Lösungen für alltägliche Fragen bieten kann. Auch wenn den Weg dahin kaum ein Laie versteht. Und das ist in der Regel auch kein Zufall, wie bei unserem Chip, sondern bewusstes Ziel. Deshalb hat DESY mit Dr. Arik Willner seit gut drei Jahren einen CTO, der diese Entwicklung vorantreibt.
Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft
Helfen soll dabei eine Kooperation mit Hochschulen (Universität Hamburg, Hochschule für Angewandte Wissenschaften und Technische Universität Hamburg) sowie Vertretern der Wirtschaft über die Initiative Hamburg Innovation. Seit 2011 gibt es PIER (Partnership for Innovation, Education and Research), eine Kooperation der Uni Hamburg mit DESY. Im Fokus stehen hier die Forschungsgebiete Teilchen- und Astroteilchenphysik, Nanowissenschaften, Photon Science sowie Infektions- und Strukturbiologie. PIER unterstützt Wissenschaftler nicht nur bei der Forschung, sondern bietet auch die Vernetzung mit der Wirtschaft. Ideal für Naturwissenschaftler, die nicht unbedingt die geborenen Unternehmer sind und auch gar nicht von vornherein marktorientiert denken sollen.
DESY bietet also viel Raum für Startups, auch im Wortsinn. Mitte Februar eröffnete das Innovation Village, das erstmals alle in dem Forschungszentrum aktiven Startups unter einem Dach vereint. Auf rund 1.000 Quadratmeter stehen ihnen Büro- und Laborräume zur Verfügung, ebenso wie weiterhin bei Bedarf die sonstige DESY-Infastruktur. Das Innovation Village ist aber nur eine Zwischenstation, weitere Baumaßnahmen stehen unmittelbar bevor. Schon für dieses Frühjahr ist der Spatenstich für ein Innovationszentrum geplant, das im Jahr 2021 bezugsfertig sein soll. Dieses Innovationszentrum wird über 2.000 Quadratmeter Arbeitsfläche verfügen und auch Startups von anderen Hochschulen beheimaten. Etablierte Unternehmen können sich mit Innovationsteams dort ebenfalls einmieten.
Das Technologie- und Gründerzentrum von DESY soll Maßstäbe setzen
Das ist aber immer noch nicht alles in puncto Bauvorhaben. Der ganz große Wurf soll das Technologie- und Gründerzentrum werden, für das 95 Millionen Euro Bundesmittel zur Verfügung stehen. November 2018 gab es dafür grünes Licht aus Berlin. Auch hier steht die Verbindung von Wissenschaft und Wirtschaft und die Förderung von Startups im Mittelpunkt, aber eben noch ein paar Nummern größer. Von einer Gesamtfläche von 15.000 Quadratmetern ist die Rede und von einer für das Jahr 2024 angestrebten Inbetriebnahme.
Bei DESY wird also langfristig geplant. Das passt zu den dort entstehenden Startups. Wegen der von ihnen eingesetzten hochkomplexen Technologie ist ein langer Atem erforderlich und schnelles Skalieren nicht möglich. Bisher klappt das auch ganz gut, alle jungen Unternehmen, die aus dem Forschungszentrum hervorgegangen sind, kommen ohne Risikokapital aus und können eigenständig funktionieren und nachhaltig wachsen. So auch Class 5 Phototonics, 2014 aus einer Forschungsgruppe entstanden.
Bei Class 5 Phototonics kommt es auf die Femtosekunde an
Class 5 Phototonics arbeitet mit Femtosekundenlasern, die unvorstellbar kurze Lichtpulse aussenden (eine Femtosekunde = 0,000 000 000 000 001 Sekunden). Damit lassen sich Experimente im atomaren und molekulren Bereich durchführen, mindestens zehnmal schneller als mit herkömmlichen Lasern. Noch beeindruckender sind die Einsatzmöglichkeiten bei der medizinischen Bildgebung. So konnten Impulse in Mäusegehirnen sichtbar gemacht werden. Auch die Industrie profitiert von dem Hochleistungsläser, etwa bei der Erstellung von Mikrolöchern. Kein Wunder, dass das Startup zahlreiche Preise erhalten hat.
Class 5 Phototonics ist nicht das einzige DESY-Startup, das bereits für Aufmerksamkeit sorgen konnte. Drei andere stellen wir in Kürze in einem weiteren Blogbeitrag vor. Dann geht es um einen modularen Elektronikstandard, Spezialkameras und Nanotechnologie zur Proteinbestimmung. Das ist Wissenschaft vom Feinsten!
Beitragsbild: Das neue Innovation Village (Foto: DESY)