Deposit Solutions auf dem Höhenflug
Wenn es um die Hamburger Fintech-Szene geht, darf ein Unternehmen auf keinen Fall fehlen: Deposit Solutions. In den letzten fünf, sechs Jahren hat sich das Startup so erfreulich entwickelt und auch international an Ansehen gewonnen, dass man sich bei einem Besuch in der Hamburger Zentrale gleich zu Beginn unwillkürlich eine Frage stellt.
Und diese Frage lautet: Ist das hier überhaupt noch ein Startup? Es gibt einen Empfang, wo Besucherausweise ausgegeben werden, aber weder einen Kickertisch noch Duelle mit der Nerf Gun. Dafür sind Anzüge und Krawatten keine völlig unbekannten Kleidungsstücke und werden zumindest dann hervorgeholt, wenn sich hoher Besuch aus der klassischen Bankenwelt ankündigt. Auch die Mitarbeiterzahl von inzwischen 70 deutet eher darauf hin, dass Deposit Solutions im Mittelstand angekommen ist.
Angefangen hat es jedenfalls ganz typisch für ein Fintech. Als sich Dr. Tim Sievers 2010 bei dem Hamburger Förderprogramm Pro-Ideenfonds bewirbt, ist er kein Frischling mehr: Mitte 30, zwei Kinder, fünf Jahre Erfahrung bei einer Private Equity-Firma. Sein Konzept, für die er schließlich 50.000 Euro Fördergeld bekommt, beinhaltet eine offene Softwarearchitektur für die Anlagenverwaltung, und das erste Unternehmen, bei dem er es umsetzen kann, heißt Deutsche Kautionspartner.
Die Deposit Solutions GmbH wird im April 2011 gegründet und ist da noch definitiv ein Startup. Von einem Ein-Mann-Projekt zu einem Team von 10 Personen braucht es gut eineinhalb Jahre. Als erster Geldgeber steigt 2011 Business Angel Stefan Wiskemann ein, Anfang 2012 investiert dank seiner Vermittlung die international aktive Wagniskapitalfirma e.ventures in Deposit Solutions. Die sitzt damals noch in der Etage 21, einem Hamburger Pionier in Sachen Coworking.
Von Beginn an existierte die Idee, die heute das Hauptgeschäftsfeld von Deposit Solutions ausmacht: eine Plattform für Tages- und Festgeldanlagen. Anders als bei anderen Anlageformen wie Aktien oder Investmentfonds hatten Kunden bis dahin nicht die Möglichkeit, bei einer Bank zwischen den Produkten verschiedener Anbieter zu wählen. Einfach ausgedrückt: Wer bei bei Bank A ein Konto besaß, aber ein bestimmtes Festgeldangebot von Bank B attraktiver fand, musste auch dort ein Konto anlegen.
Kundenfreundlich ist das nicht, schon gar nicht im Internetzeitalter. Tim Sievers war deshalb optimistisch, dass er bei serviceorientierten Banken mit seiner Architekturlösung auf offene Ohren stoßen würde. Schließlich können dank ihrer Anleger auf Produkte verschiedener Anbieter zugreifen, ohne hin und her springen zu müssen. Die Idee kam auch schnell gut an, trotzdem musste er anfangs einen schweren Stein den Berg hochschieben, der auch mal wieder ein Stück zurück rollte.
Viele potenzielle Partner zögerten, weil es noch keinen Beweis für das Funktionieren des Systems gab, was sich aber natürlich erst mit realen Partnern bewerkstelligen ließe – eine Art „Henne-Ei-Problem“, wie Tim Sievers es beschreibt. Zudem hatte er es mit teilweise übervorsichtigen Unternehmen zu tun, die nach den Turbulenzen, welche die Finanzbranche in den letzten Jahren erschüttert hatten, kein Risiko mehr eingehen wollten. Und auch die oft veralteten IT-Systeme der Banken stellten Deposit Solutions vor manch knifflige Aufgabe.
Mit Peter Thiel hat Deposit Solutions eine Fintech-Legende im Boot
Richtig in Fahrt kam das Geschäft 2015. Da konnte die erste große Finanzierungsrunde in Höhe von 6,5 Millionen Euro angeschoben werden, die dann im Januar 2016 für Schlagzeilen sorgte. Mit dabei waren unter anderem die FinLab AG und Investorenlegende Peter Thiel. Allein der Name sorgt natürlich für Aufmerksamkeit, und er stehe auch immer mal wieder für den einen oder anderen Ratschlag zur Verfügung, erzählt Tim Sievers. Und fügt bescheiden hinzu: „Meist hat er aber Wichtigeres zu tun.“
Wichtiges zu tun gibt es bei Deposit Solutions allerdings auch genug, so mit der im September 2015 offiziell gelaunchten Plattform Zinspilot. Sie ist an Endkunden gerichtet und bietet den gleichen Service wie die B2B-Lösungen für Banken. Anbieter können dort ihre Fest- und Tagesgeldprodukte hineinstellen, Anleger zwischen den verschiedenen Angeboten wählen. Dabei werden keine Gebühren fällig, finanziert wird das Modell von den Banken, die sich Marketing-, Vertriebs- und Verwaltungskosten sparen. Die Anbieter können aus ganz Europa kommen, wenn das Land ein Rating von mindestens A erreicht.
Einlagen in Höhe von über 700 Millionen Euro für 30.000 aktive Nutzer hat Zinspilot mit der Unterstützung der Sutor Bank bereits verwaltet – und diese Zahlen sind in dem Moment, wo sie in diesem Artikel veröffentlicht werden, schon wieder veraltet und viel zu niedrig. Allein im Juni waren es nämlich 130 Millionen Euro. Das Potenzial ist noch gewaltig, Tim Sievers spricht von 30 Millionen möglichen Anlegern allein in Deutschland, mit einem Durchschnittsvermögen von über 80.000 Euro.
Die holt man am besten dort ab, wo sie bereits sind, nämlich bei den großen Finanzkonzernen, etwa der Deutschen Bank. An dessen damaligen Co-Vorsitzenden Jürgen Fitschen hat Sievers voriges Jahr ganz klassisch einen handschriftlich verfassten Brief geschrieben und tatsächlich drei Wochen später eine Antwort bekommen. Nicht von Fitschen selbst, aber von der zuständigen Abteilung: Man sei an einer Zusammenarbeit sehr interessiert.
Verkündet wurde diese Kooperation im April 2016 im Rahmen einer Digitalisierungsoffensive, die sich die Deutsche Bank bis 2020 insgesamt 750 Millionen Euro kosten lassen will. Mit dabei ist unter anderem mit figo ein weiteres Hamburger Fintech-Startup. Ein Beleg dafür, wie stark die Hansestadt in diesem Bereich aufgestellt ist, auch wenn das im öffentlichen Bewusstsein noch nicht überall angekommen zu sein scheint.
15 Millionen für Expansion in Hamburg und international
Die neueste Erfolgsmeldung aus dem Hause Deposit Solutions schließlich stammt aus dem Juli 2016. In einer weiteren Finanzierungsrunde gab es 15 Millionen Euro, wodurch die Unternehmensbewertung auf satte 110 Millionen Euro stieg. Neben dem US-Investor Greycroft Partners sind wieder alte Bekannte wie e.ventures und Peter Thiel mit seiner New Yorker Firma Valar Ventures dabei.
Mit dem Geld kann Deposit Solutions die Internationalisierung vorantreiben; erste Niederlassungen in London und Zürich gibt es bereits. Hamburg als Hauptsitz wird aber bestehen bleiben. Erst im Dezember 2015 ist man in den Zirkusweg 1 in Reeperbahnnähe gezogen und und mietet dort gerade weitere Räume an. Auch an der Einstellung, welche das Geschäftsmodell von Beginn an geprägt hat, wird sich nichts ändern: Banken sind Kunden und Partner, keine Gegner. Und zur Frage: Mittelständler oder Startup? So lange die Wege kurz bleiben und Entscheidungen schnell getroffen werden können, am liebsten von beiden das Beste.
Bild ganz oben: Monique-Janine Asmus, Empfang (alle Fotos Deposit Solutions)
Fintechs made in Hamburg – unser Hamburg Startups Dossier
Um dem Fintech-Standort Hamburg ein wenig besser kennen zu lernen, hat Hamburg Startups gemeinsam mit den Partnern comdirect bank AG, der Sutor Bank und der Ginkgo Management Consulting das Hamburg Startups Fintech-Dossier ins Leben gerufen.
Der Sommer 2016 steht somit ganz im Zeichen der Finanzbranche: Mit spannenden Insights in das Hamburger Fintech-Ökosystem, Portaits- und Interviewreihen sowie interessanten Gastbeiträgen unserer hiesigen Fintech-Experten.
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