Das Startup-Jahr 2017 aus Hamburger Sicht
Die Startup-Welt steht niemals still. Täglich ereignen sich kleine und große Dramen, werden kleine und große Triumphe gefeiert und entstehen neue Ideen und Geschäftsmodelle. Hamburg Startups begleitet und dokumentiert das Geschehen in der Hansestadt seit einigen Jahren und hat auch 2017 wieder in Hunderten Artikeln und Nachrichtenmeldungen berichtet. Heute machen wir uns an einen Rückblick auf das zu Ende gehende Jahr.
Wenn Menschen gefragt werden, was sie lieber zuerst hören wollen, eine gute oder eine schlechte Nachricht, entscheiden sich die meisten für die schlechte. Schließlich kann es danach nur besser werden. Auch wir halten uns an diese Regel und beginnen mit etwas, das in der Startup-Welt unvermeidlich ist: dem Scheitern. Neun von zehn Startups verschwinden früher oder später von der Bildfläche, lautet eine weit verbreitete Schätzung. Die meisten tun das still und leise, weil sie nie so richtig öffentliches Interesse erregen könnten. 2017 allerdings erwischte es in Hamburg einige Jungunternehmen, die zu den populärsten der Stadt gehörten.
Einige Publikumslieblinge mussten aufgeben
TripRebel, Heute in Hamburg, Jano und Protonet verkündeten innerhalb der ersten Wochen des Jahres, sie würden Insolvenz anmelden oder den Betrieb gleich ganz einstellen. Sie waren allesamt Publikumslieblinge, Gewinner von Startup-Wettbewerben oder sogar Crowdfunding-Rekordler (Protonet), aber offensichtlich schützte sie das nicht vor ungenügendem wirtschaftlichen Erfolg. Besonders groß war der Schock bei Heute in Hamburg, doch hier gab es ein Happy End. Haspa Next, eine Schwester der Hamburger Sparkasse, übernahm das Ruder und integrierte den Service für Veranstaltungstipps in ihre neue App AINO. Auch Protonet existiert noch, unter der Adresse Protonet, Inc. in San Francisco. Ebenfalls ein Leben nach der Insolvenz gab es für Lampuga. Der Produzent von Jetboards fand einen Käufer aus Baden-Württemberg. Endgültig Schluss ist dagegen bei Spottster. Das Team um Gründerin Freya Oehle sah keine ausreichende wirtschaftliche Perspektive für die Preisalarm-Plattform.
Fintechs sicherten sich die höchsten Finanzierungen
Nach den schlechten Nachrichten kommen bekanntlich die guten, und von denen gab es 2017 reichlich in der Hamburger Startup-Szene. Ganz vorn dabei waren mal wieder die Fintechs, die, passend zu ihrem Geschäftsfeld, die üppigsten Finanzierungsrunden abschließen konnten. Die 110 Millionen Euro für Kreditech waren sogar Europarekord, aber auch die 20 Millionen US-Dollar für Deposit Solutions und die acht Millionen Euro für Exporo konnten sich sehen lassen. Exporo belegte zudem beim bundesweiten Wachstums-Ranking der Gründerszene den dritten Platz und ist beim Immobilien-Crowdinvesting der unangefochtene Branchenprimus. Mit einem Investment in Höhe von 18 Millionen Euro gehörte das Kreuzfahrtportal Dreamlines ebenso zu den Gewinnern des Jahres.
In diese Kategorie fallen auch zwei Dickschiffe aus der Games-Szene, wobei es bei Goodgame Studios lange Zeit nicht danach ausgesehen hatte. Der Ruf des Unternehmens war durch Querelen um einen Betriebsrat und Massenentlassungen ziemlich ramponiert, da sorgte im Dezember die Übernahme durch die schwedische Stillfront Group für den Befreiungsschlag. Von insgesamt 260 Millionen Euro war die Rede, und in diesen Dimensionen wird sich letztlich auch der schrittweise Exit von InnoGames bewegen. Neuer Besitzer ist hier die Modern Times Group, ebenfalls aus Schweden. Weitere Exits, die drei Hamburger Startups mit großen Unternehmen zusammenbrachte: Dräger übernahm die Mehrheit an bentekk, tripl ging an trivago und die Daimler-Tochter moovel sicherte sich Familonet.
Jede Menge Gewinner bringen natürlich auch die vielen Startup-Wettbwerbe hervor, die sich in Hamburg über das ganze Jahr verteilen. Den Anfang macht im Januar nun schon seit einigen Jahren der von Hamburg Startups veranstaltete Pitch, bei dem es eine Reise zum SXSW Festival in Austin, Texas zu gewinnen gibt. Das Ticket verdiente sich Nüwiel mit seinem Elektroantrieb für Fahrradanhänger. Beim SXSW ist Hamburg schon seit Jahren stark vertreten, und 2017 bildete da keine Ausnahme.
Nect und Taxdoo gewannen die meisten Preise
Beim Gründergeist-Wettbewerb im Februar holte Nüwiel immerhin den dritten Platz. Die beiden ersten belegten zwei Startups, die in den kommenden Monaten noch zahlreiche weitere Preise abräumen sollten: Nect und Taxdoo. Sie räumten auch beim nextMedia.Elevator ab, allerdings in umgekehter Reihenfolge. Im Juni holte sich nämlich Taxdoo mit seiner Lösung für Umsatzsteuerprobleme die Krone, der virtuelle Personalausweis von Nect wurde Vize. Dafür konnte sich Nect unter anderem den App Award von 20Scoops und Radio Hamburg schnappen und schließlich noch eine vom Finanzplatz Hamburg gestiftete Reise ins Silicon Valley. Taxdoo wiederum gewann den Publimumspreis beim Startups@Reeperbahn Pitch im September. Der große Sieger bei diesem von Hamburg Startups ausgerichteten Saisonhöhepunkt war Inspirient. Dieses Startup aus Berlin fährt im März 2018 zum SXSW Festival nach Austin. Wir werden ausführlich berichten!
Weitere Wettbewerbsgewinner im Schnelldurchlauf: Breeze triumphierte in der Kategorie Existenzgründer beim prestigeträchtigen Hamburger Gründerpreis, CiDO erklomm das oberste Treppchen beim Betapitch, beim erstmals ausgetragenen Jimdo Gründer-Slam begeisterte BarluParts 3D eine Internetjury, Viewlicity und Vireed waren beim Next Reality Contest ganz vorn dabei, Groovecat gab beim Music WorX Pitch den Ton an und Bluebird Mountain überzeugte das Publikum beim UniPitch. Bei dieser Veranstaltung startete übrigens Taxdoo 2016 seine Award-Karriere. Und dann gab es da noch die Hamburg Startups FOOD AWARDS.
Das Food Innovation Camp und der anhaltende Food-Trend
Die wurden im Rahmen des Food Innovations Camps verliehen, 2017 erstmals von Hamburg Startups organisiert. Gleich bei ihrer Premiere übertraf die Mischung aus Messe und Konferenz alle Erwartungen und lockte über 1.000 Besucher in die Handelskammer Hamburg. Die Preisträger hießen Smuus, Lycka, beide aus Hamburg, und Flowtify aus Köln. Der große Erfolg der Veranstaltung war ein weiterer Beleg dafür, dass das Thema Food in der Startup-Welt noch lange nicht ausgereizt ist. Wir haben ihm gleich eine ganze Serie gewidmet, das E-Paper dazu könnt Ihr hier herunterladen.
Food war auch eines der beherrschenden Themen in der Gründershow „Die Höhle der Löwen“, die ab September wieder für Rekordquoten sorgte. Die Kandidaten aus Hamburg und Umgebung beschäftigten sich bis auf eine Ausnahme alle mit Essen und Trinken. Und sie konnten auch alle einen Deal machen, zumindest vorläufig. Am Ende doch nicht ganz geklappt hat es bei Kajnok, HappyCheeze, Chef.One und Tastillery. Dagegen bekamen Luicella’s, Veluvia und Foodguide die volle finanzielle und fachliche Unterstützung ihrer Löwen. Ob Deal oder nicht, die mediale Aufmerksamkeit und ein unbezahlbarer Werbeeffekt war allen gewiss, jetzt muss jedes Startup dafür sorgen, den Erfolg nachhaltig zu sichern.
Neue Förderprogramme und der Coworking-Boom
Das gilt genauso für alle Startups, die eines der Förderprogramme in Hamburg durchlaufen. Da gibt es seit vielen Jahren die IFB mit ihren InnoRampUp-Programm und dem Innovationsstarter Fonds. Anfang nächsten Jahres erwarten wir das einhundertste von der IFB geförderte Startup. Etabliert hat sich auch der Next Media Accelerator, der schon sein fünftes Batch betreut hat; beim Airbus BizLab war es immerhin das zweite. Medien und Luftfahrt sind zwei Branchen, die in Hamburg traditionell eine wichtige Rolle spielen. Gleiches gilt für Handel und Logistik. Hier ist der Next Commerce Accelerator bereits aktiv (mehr dazu bei uns in Kürze), während der Next Logistic Accelerator noch auf den endgültigen Startschuss wartet. Der Digital Hub Logistics hat dagegen seine Arbeit bereits aufgenommen. Schließlich feierte im Oktober der Health Innovation Port von Philips seine Eröffnung.
Für eine Weile war das betahaus in der Eifflerstraße der größte Coworking-Space in Hamburg, 2016 eröffnete das Mindspace am Rödingsmarkt. 2017 erlebte die Branche einen regelrechten Boom, auch in der Hansestadt. Das Beehive hat hier inzwischen drei Standorte, die Friendsfactory kam im April in die HafenCity, der weltweite Marktführer WeWork im Oktober an den Axel-Springer-Platz. Jüngster Neuzugang ist rent24 an der Bleichenbrücke. Außerdem hat rent24 im Herbst Friendsfactory übernommen und plant für 2018 einen Coliving-Space in Hamm. Auch WeWork will sein Angebot in Hamburg noch erweitern. Man darf gespannt sein, wie sich der Markt entwickelt und ob irgendwann der Punkt der Übersättigung erreicht ist.
Größere Veranstaltungen, weniger Startup-Gründungen
Für viele Veranstaltungen in Hamburg gilt das sicherlich noch nicht, sie haben sich 2017 erneut weiterentwickelt. Als Leuchtturmevents wären zum Beispiel die Social Media Week, die Fintech Week, die d3con, die solutions und vor allem die Online Marketing Rockstars zu nennen. Dieses Spektakel lockte 2017 bereits 25.000 Besucher in die Messehallten, 2018 sollen es gar 40.000 werden.
Und was ist für das kommende Jahr sonst noch zu erwarten? Mehr Virtual und Augmented Reality, mehr Blockchain, mehr küstliche Intelligenz und was der Buzzword-Generator sonst noch so hergibt? Kann gut sein, aber vielleicht kommen die Überflieger 2018 aus ganz anderen Bereichen. Wir hoffen zumindest, dass die Lust am Gründen wieder zunimmt. Nimmt man unseren Startup Monitor als Maßstab, war 2017 mit knapp 60 Neugründungen kein gutes Jahr, auch wenn da sicherlich noch einige Nachmeldungen kommen. Was immer auch passiert, wir werden weiterhin unsere Augen und Ohren offen halten und mit bestem Wissen und Gewissen berichten!
Beitragsbild: Das Food Innovation Camp im Juli in der Handelskammer war nicht nur für Hamburg Startups ein absoluter Höhepunkt! (Foto: Stefan Groenveld)
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