Das geht in Sachen Nachhaltigkeit und Innovation in Hamburg
Innovate Or Die? – Das war das Motto einer Veranstaltung der IFB Hamburg. Wirklich um Leben oder Tod ging es dabei zum Glück nicht, aber immerhin um die auch nicht ganz unwichtige Frage, was in Hamburg zur Einhaltung der 17 Ziele der Vereinten Nationen zur Nachhaltigkeit getan werden kann. Dabei wurde klar: Der gute Wille ist bei allen da, jetzt geht es um die richtige Umsetzung. Und das so schnell wie möglich.
Als erster Speaker betrat Fridtjof Detzner die Bühne der Containerbox von Hammerbrooklyn und sorgte gleich für den emotionalen Höhepunkt. Zunächst berichtete er kurz, wie er vor 20 Jahren im zarten Alter von 16 seine Unternehmerkarriere begann, die zur Gründung von Jimdo führte. Vor zwei Jahren stieg er bei dem erfolgreichen Webbaukasten aus und drehte eine TV-Serie für die Deutsche Welle über Entrepreneurship in Asien. Eine Erfahrung, die sein Leben veränderte. Mit feuchten Augen erzählte er die Geschichte eines indischen Bauern, dem Extremwetter regelmäßig die Ernte zerstörte. Als einzigen Ausweg aus der Verschuldung sah er nur noch Selbstmord. Doch ein findiger Unternehmer fand eine bessere Lösung: Ein leichtes, gegen Starkregen resistentes Treibhaus, das ein Grundeinkommen sichert.
Planet A soll der Accelerator für nachhaltige Startups werden
Dieses und viele andere Erlebnisse auf seiner Asienreise inspirierten Fridtjof dazu, mit Startups die Welt ein bisschen besser machen zu wollen. An zwei Projekten ist er aktuell beteiligt. Greenloop entwickelt einen Salatgarten für die Küchenwand. Und Wildplastic bietet demnächst Müllbeutel aus recyceltem Plastikmüll an. Dabei soll es aber nicht bleiben. Zusammen mit anderen engagierten Unternehmern stellt er gerade den Accelerator und Company Builder Planet A auf die Beine. Wenn alles klappt, soll der schon ab dem zweiten Quartal 2020 bis zu acht nachhaltige Startups unterstützen. Drei Millionen Euro von Investoren will Fridtjof dafür einsammeln, die nicht unbedingt mit Gewinnen rechnen sollten, aber mit der Gewissheit, einen Unterschied zu machen. Erste Interessenten haben sich schon an diesem Abend gemeldet.
Dass auch Klassiker der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften noch Antworten auf Zukunftsfragen bieten können, erläuterten im zweiten Programmteil Dr. Henning Vöpel und Dr. Sünje Lorenzen. Schließlich ist die Notwendigkeit von Innovationen kein Phänomen des 21. Jahrhunderts. Anfang des 20. Jahrhunderts galt zum Beispiel in New York die Verschmutzung der Straßen durch Pferdemist als ernsthaftes Problem. Die Lösung war das mit Benzin angetriebene Automobil, das inzwischen als Auslaufmodell gilt.
Vier Thesen zur unternehmerischen Innovation
Unter dem Titel „Schumpeter 4.0 – Unternehmungsgeist und wirtschaftlicher Fortschritt im digitalen Zeitalter“ haben Lorenzen und Vöpel einen Text verfasst, der sich vor allem auf die Ideen von Joseph Alois Schumpeter und Erich Fromm bezieht. Daraus haben sie folgende vier Thesen extrahiert:
- Es ist eine gute Zeit zur Entwicklung von Innovationen.
- Solidarische Kooperationen sind dem „unbarmherzigen Einzelkampf“ gegenüber im Vorteil.
- Innovationen brauchen „produktive Orientierung“.
- Innovationen von Unternehmen und Startups können einen großen Beitrag zur Erreichung der UN-Nachhaltigkeitsziele leisten.
Wer mehr darüber wissen möchte, kann den gesamten Text hier nachlesen.
Boris Kozlowski vom Impact Hub Hamburg begann seinen Beitrag mit der Bitte um eine Minute Achtsamkeit. Das bedeutete absolute Stille, für manche der Anwesenden sicherlich ein eher ungewohnter Zustand. Danach hatte Boris einiges zu sagen, unter anderem, dass kein Mangel an Menschen mit guten Ideen bestehe. Eher mangelt es an Möglichkeiten, die Ideen in die Tat umzusetzen, an Orten der Kollaboration und Vernetzung. Dafür sind die Impact Hubs da, von denen es inzwischen mehr als 100 überall auf der Welt gibt.
Impact Hub Hamburg sucht neue Räume
Die Hamburger Dependance gibt es seit dem zweiten Halbjahr 2019. Sie ist Heimat für Startups, die sich den 17 Nachhaltigkeitszielen der UN verschrieben haben und dabei Eigenschaften von profitorientierten Unternehmen und karitativen Organisationen verbinden. Die Hamburger Community besteht inzwischen aus rund 60 Mitgliedern. Der Hub in der Karolinenstraße bietet aber nur 16 Personen gleichzeitig Platz. Deshalb ist die Suche nach neuen Räumlichkeiten mit bis zu 2.500 Quadratmetern in vollem Gange. Idealerweise soll der Umzug schon kommenden März stattfinden.
Startups und Innovationen und Nachhaltigkeit – das passt in vielen Fällen gut zusammen. Bei großen Konzernen scheint das oft nicht der Fall zu sein. Sie kennzeichnen nach wie vor Profitstreben und Verharren in veralteten Positionen, so zumindest das Klischee. Dabei hat auch hier längst ein Umdenken stattgefunden, berichtete Jan-Menko Grummer von Ernst & Young. Immer mehr Unternehmen erkennen, dass langfristige Werte wichtiger sind als kurzfristige Gewinne.
Nachhaltigkeit wird zur wirtschaftlichen Notwendigkeit
Dabei geht es nicht nur um die Verbesserung des Images; Nachhaltigkeit wird zur wirtschaftlichen Notwendigkeit. Das liegt an neuen Regularien wie der kommenden CO2-Bepreisung ebenso wie an der zunehmenden Sensibilität der Konsumenten. Bremsende Wirkung haben dagegen Verlustängste bezüglich bestehender Vorzüge und Bequemlichkeiten. Das führt dazu, dass der Wandel nicht so schnell vollzogen werden kann, wie er erforderlich wäre. Aber ist dieser Wandel überhaupt Realität oder nur Wunschdenken? Das wurde in abschließender Runde unter Einschluss des Publikums kontrovers diskutiert. Dabei fiel der Begriff „Purpose“ so häufig, dass er zum reinen Buzzword verkam. Am Ende überwog trotzdem das Gefühl, das sich vieles in die richtige Richtung bewegt, auch in Hamburg. Bleibt nur zu hoffen, dass dies mit wirklicher Nachhaltigkeit geschieht.