Carrypicker sorgt mit KI für volle Ladungen
LKW übernehmen nach wie vor einen Löwenanteil der Transporte in Europa. In Zeiten immer noch steigender Warenbewegungen und einer zunehmenden Sensibilität in Umweltfragen sind Lösungen für eine maximale Auslastung der Fahrzeuge dringend gefragt. Eine davon bietet Carrypicker: Mithilfe künstlicher Intelligenz will das Hamburger Startup Teilladungen kombinieren. Unterstützung dafür gibt es vom Bundesverkehrsministerium.
Der Markt für Warentransporte per LKW in der EU ist gigantisch. Bei 370 Milliarden Euro liegt der Wert des Frachtvolumens, 6,5 Millionen Fahrzeuge sind unterwegs, um alles wie gewünscht von A nach B bringen. Die optimale Disposition ist eine Wissenschaft für sich, die bei diesen Dimensionen den menschlichen Verstand übersteigt. Deshalb sind die LKW im Durchschnitt auch nur zu 70 % ausgelastet. Schon eine um 10 Prozentpunkte höhere Auslastung würde nicht nur erhebliche Kosten sparen, sondern auch eine geringere CO2-Belastung bedeuten, die dem Jahresausstoß einer Stadt der Größe Frankfurts entspricht.
300 Millionen Daten für eine künstliche Intelligenz
Dieses ehrgeizige Ziel hat sich Carrypicker gesetzt und dafür eine künstliche Intelligenz (KI) entwickelt. Gefüttert wurde diese mit über 300 Millionen realer Frachtdaten aus zwei Jahren. Dabei hat sich herausgestellt, dass über 50 Parameter – vom Wetter bis zum Wochentag – für die Planung relevant sind. Allein diese Zahl macht schon deutlich, dass Disponenten diese Informationsfülle allein nicht bewältigen können, schließlich gehen die Kombinationsmöglichkeiten gegen unendlich. Carrypicker verspricht dagegen, ein passendes Angebot in sekundenschnelle liefern und dabei drei entscheidende Kriterien berücksichtigen zu können: die Ermittlung von Frachtpreisen, die intelligente Ladungsbündelung und die Ansprache der geeigneten Fuhrunternehmer.
Für die Auftragsabwicklung hat Carrypicker zwei Produkte entwickelt. Da ist zunächst die Plattform, über die Unternehmen ihre Frachtaufträge eingeben können, also beispielsweise ein Lieferung von Maschinenbauteilen von Hamburg nach Berlin. Diese Aufträge werden dann über die App Coletta an die geeigneten Speditionen vermittelt. Insgesamt rund 2.000 Fuhrunternehmer mit über 15.000 Fahrzeugen stehen bei der Disposition anfangs theoretisch zur Auswahl, am Ende werden höchstens drei bis vier davon angesprochen. Carrypicker verlangt für seine Dienstleistung einen Fixpreis, der nicht mehr nachverhandelbar ist. Je höher daher die endgültige Auslastung, desto höher die Marge für das Startup.
Der Gründer von Carrypicker kommt von Cargonexx
Als Zielgruppe kommen sowohl Großunternehmen als auch Mittelständler infrage. Gerade für mittelständische Unternehmen ist der Service besonders attraktiv, da sie häufig kleinere Ladungen versenden und daher Teilbelegungen nutzen können. Großkonzerne arbeiten dagegen vornehmlich mit Komplettladungen. Mit einer künstlichen Intelligenz für deren Planung hat das Startup Cargonexx im vergangenen Jahr unter anderen den Hamburger Gründerpreis und den Reeperbahn Startup Pitch gewonnen. Die Ähnlichkeit der Geschäftsmodelle ist kein Zufall; Carrypicker-Gründer Andreas Karanas gehörte zum Gründerteam von Cargonexx und machte sich im Sommer 2017 mit seiner Idee für Teilladungen selbständig.
Die beiden Logistik-Startups waren nicht seine ersten Gründungen, schon vorher war er im Bereich interaktives Fernsehen recht erfolgreich. Eines seiner Unternehmen hat beispielsweise Pro 7 übernommen. Von diesen langjährigen Erfahrungen profitiert auch das Team von Carrypicker. Fast die Hälfte der Mitglieder kennt Andreas schon von seinen früheren Startups. Inzwischen hat Carrypicker rund 25 Mitarbeiter, acht davon sind Mathematiker, die an der Verbesserung der KI forschen. Geld genug dafür ist vorhanden: Das Bundesverkehrsministerium steckt immerhin fast 2,5 Millionen Euro in das Forschungsprojekt.
Umsatz seit 2019
Nach einer intensiven Entwicklungsphase fiel der offizielle Startschuss für Carrypicker auf der Fachmesse transport logistic im Juni 2019 in München. Erste Umsätze gibt es bereits und das Potenzial ist riesig. Neben der Kostenersparnis ist vor allem das Thema Nachhaltigkeit ein Verkaufsargument, kaum ein Unternehmen, das nicht an der Verbesserung seiner CO2-Bilanz arbeitet. Bisher ist das Startup ohne Fremdkapital ausgekommen, dem Verkehrsministerium sei Dank. Um das Wachstum zu beschleunigen, könnte allerdings im nächsten Jahr ein Investor hinzukommen. Nicht irgendwer, sondern einer, der eine hohe Affinität zu Branche und Unternehmen hat. Schließlich ist Carrypicker darauf spezialisiert, Lücken bestmöglich zu füllen.
Fotos: Carrypicker