Brygge baut Brücken ins Online-Banking
Die Welt wird immer digitaler und das gilt auch für Banken. Zahlreiche Filialschließungen sorgen zusätzlich für eine steigende Verlagerung von Bankgeschäften ins Internet. Was aber ist mit Menschen, die beispielsweise aus Altersgründen nicht so digitalaffin sind? Für sie entwickelt das Startup Brygge ein Angebot, das den Einstieg und die Nutzung erleichtert. Dahinter stecken ausgewiesene Fintech-Expertinnen.
Nach einigen Jahren in der Fintech-Branche bei dem Hamburger Vorzeige-Startup figo und dem Fusionspartner finreach stand Cornelia Schwertner 2020 der Sinn nach Veränderung. Sie wollte etwas gesellschaftlich Nützliches tun, vielleicht in die Politik gehen, etwas gegen Armut unternehmen oder sich für ältere Menschen einsetzen. Am Ende stand dann doch die Idee für ein weiteres Fintech-Unternehmen, die sie mehreren Personen vorstellte.
Die Gründerinnen bringen viel Branchenerfahrung mit
Unter ihnen war Barbara Buchalik, die bei der Finanzaufsichtsbehörde BaFin gearbeitet hat und beim Bundesministerium für Finanzen. Sie ließ sich von Cornelias Konzept begeistern, entwickelte es mit ihr weiter und gab für die Gründung des neuen Startup Brygge im Frühjahr 2021 sogar ihren Beamtenstatus auf. Dritte im Bunde wurde Bianca Steinke, die Cornelia noch von ihrer gemeinsamen Zeit bei figo kannte. Bianca war zunächst als Business Angel gedacht, stieg dann aber als Mitgründerin voll ein und bringt vor allem technisches Know-how mit.
Das wird sicherlich auch benötigt, aber im Mittelpunkt steht für die drei Fintech-Expertinnen der soziale Aspekt ihrer Idee. Sie verorten ihre Zielgruppe primär bei Menschen ab 55, aber im Prinzip spricht das Angebot alle an, die sich vom üblichen Online-Banking verunsichert oder gar überfordert fühlen. Dazu gehören sicherlich viele Alte, die zum Teil gar keinen Zugang zum Internet haben und über Brygge ihre Angehörigen die finanziellen Angelegenheiten managen lassen können.
Irgendwo war schon von „N26 für Senioren“ oder ähnlichem die Rede, doch dieser Vergleich ist irreführend, denn Brygge tritt nicht als eigenständige Bank in Erscheinung. Nutzerinnen und Nutzer behalten ihre bisherige Hausbank und sonstige Kontoverbindungen, müssen also keinerlei Wechsel veranlassen. Das Prinzip von Brygge verdeutlicht der Firmenname, der sich aus zwei Begriffen zusammensetzt.
Brygge ergibt sich aus Hygge und Brücke
Das ist zunächst das dänische Wort „Hygge“, das mit mit „Gemütlichkeit“ nur unzureichend übersetzt ist. Es beschreibt auch ein Lebensgefühl des Wohlbefindens und der Zusammengehörigkeit. Der andere Begriff ist die „Brücke“, die für die Verbindung zu einem Ort steht, in diesem Fall eben die Welt des Online-Bankings. Konkret soll das so aussehen, dass Brygge den Umgang damit so leicht und selbsterklärend wie möglich gestaltet.
Dafür gibt es zunächst einmal Anleitungen und Erklärungen für die alltägliche Nutzung. Der Funktionsumfang lässt sich dabei individuell bestimmen. Im nächsten Schritt gibt Brygge dann auch Tipps und Hinweise für alle, die sich intensiver mit ihren Finanzen beschäftigen möchten. Diese Beratung soll so neutral wie möglich erfolgen und nicht an den Vertrieb von bestimmten Finanzprodukten gekoppelt sein.
Neben diesen beiden Zielgruppen, den absoluten Neueinsteigern und schon etwas Erfahreneren, spricht Brygge, wie schon kurz angesprochen, zum Beispiel Personen an, die sich um die Bankgeschäfte ihrer Eltern kümmern. Das kann über indirekten oder direkten Zugriff geschehen, je nachdem, wie und ob eine Vollmacht vereinbart ist.
Ein Zebra auf dem Sprung
Bei Fintechs geht es naturgemäß ums Geld und auch Brygge hat natürlich das Ziel gute Umsätze zu erzielen. Allerdings spielt das Gemeinwohl mit der Maßgabe, Online-Banking für alle möglich zu machen, ebenso hoch im Kurs. Menschen mit geringem Einkommen oder kleiner Rente sollen das komplette Angebot kostenlos nutzen können. Schließlich planen die Gründerinnen auch einen fixen Umsatzanteil für soziale Projekte mit dem Fokus auf Altersarmut einzusetzen. Brygge definiert somit sich als Zebra, also als Startup, das kommerzielle und soziale Interessen gleichermaßen verfolgt.
“Als B2C-FinTech sind wir auf Wachstumskapital angewiesen. Dies steht nicht zwingend im Widerspruch zu unseren sozialen Zielen. Die globalen Nachteile der Wachstumsökonomie, wie die zunehmende soziale Ungleichheit, können realistisch nur durch Zebra-Unternehmen überwunden werden, die parallel zur eigenen Wirkung auch eine marktübliche Rendite für Wachstumskapitalgeber erwirtschaften”, erklärt Cornelia Schwerter. Einige Business Angels sind schon an Bord, so der ehemalige figo-CEO André M. Bajorat.
Mitte 2022 soll der Service vollumfänglich verfügbar sein. Bis dahin kann man sich für eine Testnutzung anmelden und dadurch bei der Weiterentwicklung von Brygge mitwirken. Von Angang an floss das Feedback der anvisierten Zielgruppe in die Gestaltung des Angebots ein. Die beste Brücke ist eben eine, die alle, die sie benutzen wollen, gemeinsam bauen.
Foto: Brygge GmbH