Bracenet – Netzwerke gegen die Vermüllung der Meere
„Commerce“ oder „Impact“? Bei der Frage, in welche Kategorie die Gründerin Madeleine von Hohenthal und ihr Startup Bracenet eigentlich gehören, lautet die Antwort: beide! Bei unserem Wettbewerb STARTERiN Hamburg 2021 haben wir uns allerdings für „Commerce“ entschieden, und da hat Madeleine prompt gewonnen. In jedem Fall passt ein Motto von Bracenet: „Tue Gutes und verdiene Geld damit!“
Sansibar, 2015. Eigentlich waren und Madeleine von Hohenthal und Benjamin Wenke auf der ostafrikanischen Insel, um Urlaub zu machen. Stattdessen sorgte ein Erlebnis dort für die Gründung ihres Startups Bracenet. Die Küstenregion war nämlich mit sogenannten Geisternetzen verschmutzt, auch in den Korallen hatten sie sich verfangen. Geisternetze sind verlorengegangene oder achtlos weggeworfene Fischernetzte, die einen erheblichen Teil des Mülls in den Meeren ausmachen.
Bracenet arbeitet mit internationalen Partnern
Drei Wochen verbrachten Madeleine und Benjamin auf Sansibar damit, solche Geisternetze einzusammeln. Zurück in Deutschland, beschäftigten sie sich intensiv mit dem Thema, das zu der Zeit noch wenig Aufmerksamkeit erregte. Bei ihren Recherchen stießen sie auf zwei Organisationen, welche die Netze aus den Ozeanen holen: Ghost Diving und Healthy Seas. Mit ihnen ging das Startup Anfang 2016 eine bis heute bestehende Partnerschaft ein.
Nun war von Anfang an die Idee, die Netze nicht nur zu bergen, sondern einem neuen Verwendungszweck zuzuführen. Upcycling nennt man das Verfahren, aus Abfällen neue, brauchbare Gegenstände zu machen. Was das bei Bracenet sein sollte, erschließt sich schon aus dem Namen, der von dem englischen Wort für Armband, „bracelet“, abgeleitet ist. Auf die Aufbereitung alter Netzte spezialisiert hat sich das norwegische Unternehmen Nofir, mit dem Bracenet ebenfalls eine Partnerschaft eigegangen ist.
Hergestellt werden die Armbänder dann in Hamburg und zum Teil vom Lebenshilfewerk Neumünster, und zwar in Handarbeit. Die Produktentwicklung begann in der Wohnung des Paares, auch ein Creme Brulee-Brenner kam dabei anfangs zum Einsatz. Welcher Kleber eignet sich für die Verarbeitung, welche Verschlüsse passen am besten? Bis alle Fragen beantwortet waren, verging mehr als ein Jahr. Richtig durchgestartet ist Bracenet Anfang 2018, als sich Madeleine und Benjamin in Vollzeit um ihr Startup kümmern konnten.
Team und Sortiment wachsen stetig
Mittlerweile ist das Team auf 35 Personen angewachsen, 30 davon sind Frauen. Die Personalsuche stellte keine große Herausforderung dar, im Gegenteil. Eher mussten Bewerberinnen vertröstet werden. Viele sind hoch qualifiziert und haben mehrere Aufgaben, sie helfen beim Packen und kümmern sich zugleich um Projekte. Die Motivation ist klar: Bracenet bietet nicht einfach nur Jobs, sondern leistet einen wichtigen Beitrag zum Umweltschutz.
Dazu ein paar Zahlen: Aus den Einnahmen gingen bereits über 175.000 Euro Spendengelder an wohltätige Organisationen. Anfangs 50, inzwischen rund 200 Taucherinnen und Taucher haben die über fünf Tonnen Netze geborgen, die für die Produktion von Bracenet verwendet wurden. Die Jahresumsätze des Startups liegen im siebenstelligen Bereich. Möglich machen das unter anderem immer neue Designs der Armbänder, die bei vielen Fans eine Sammelleidenschaft entfacht haben.
Inzwischen ist das Angebot aber auch erheblich größer geworden. So gibt es Schlüsselanhänger, Hundeleinen, Kamerabänder und Taschen in Netzoptik. Der Plan ist, alle ein bis zwei Wochen ein neues Produkt auf den Markt zu bringen. Überhaupt ist bei Bracenet, salopp formuliert, ständig was los. Der erste große Auftrag kam 2017 von der Telekom, seitdem wird die Liste der Kooperations- und Geschäftspartner immer länger und länger.
Kooperationen von Startup bis Super Bowl
25 Fluggesellschaften gehören dazu, die Schuhmarke Kangaroos für einen limitierten Sneaker, der Hunderexperte Martin Rütter für eine Hundeleine, der Arena Verlag mit einem Kinderbuch, das mit dem Blauen Engel zertifiziert ist, und vieles mehr. Zwischendurch ruft dann auch schonmal das Organisationsteam des Super Bowls an – genau, das große Football-Finale in den USA! – und ordert 30.000 Armbänder. Aber natürlich sind auch Startups als Partner willkommen, aus Hamburg zum Beispiel GAIA und Bridge&Tunnel.
Marketing ist eine große Stärke von Bracenet und das ist kein Zufall. Sowohl Madeleine als auch Benjamin haben ihre Ausbildung und Karriere in dem Metier gemacht, kennengelernt haben sie sich in der Agentur Jung von Matt. Im Namen von Bracenet sind sie in Sachen Nachhaltigkeit beratend tätig und halten Vorträge, auch an Unis und Schulen. Das Startup hat Sitz und Stimme in Ausschüssen und Organisationen, um mehr Einfluss gegen die Verschmutzung der Meere nehmen zu können. Und die Liste der Aktivitäten ließe sich noch erheblich fortsetzen.
Tipp der STARTERiN an neue Starterinnen: Traut euch!
Bracenet funktioniert als Unternehmen auch so gut, weil an der Spitze ein privat wie beruflich ideal eingespieltes Duo steht. Nur selten erlebt Madeleine, dass sie bei Terminen nicht die gleiche Aufmerksamkeit wie ihr Mann bekommt. Trotzdem sieht sie Männer bei der Gründung noch im Vorteil, weil sie oft finanziell besser aufgestellt seien und eher gelernt haben, im Berufsleben selbstbewusst aufzutreten.
Deshalb appelliert Madeleine an zukünftige Gründerinnen: Traut euch, macht einfach, bleibt hartnäckig und glaubt an eure Idee! Es geht auch ohne festen Businessplan, allerdings sollte man Wunsch und Wirklichkeit einmal pro Jahr abgleichen und seine Pläne auf den Prüfstand stellen. Und sich Rat bei Menschen mit Erfahrung einholen. Madeleine hat zum Beispiel von den Hamburger Wirtschaftssenioren wertvolle Tipps erhalten. Ein gutes Netzwerk ist immer hilfreich, nicht nur, wenn man sich hauptberuflich mit Netzen beschäftigt.