Bei Vivere ist alles Made in Hamburg
Vivere ist so etwas wie ein Hidden Champion unter den Hamburger Startups. Mit einer Reihe von Eigenmarken hauptsächlich aus dem Bereich Beauty ist es international erfolgreich, aber trotzdem nur Insidern bekannt. Dabei überlässt es bei der Produktentwicklung nichts dem Zufall, sondern setzt auf Datenanalyse.
Junggesellenabschiede sind bekanntlich feucht-fröhliche Angelegenheiten, leider in der Regel verbunden mit einem ziemlichen Brummschädel am nächsten Morgen. Manchmal haben sie aber auch wesentlich erfreulichere Langzeitwirkungen, etwa die Gründung eines der bemerkenswertesten Hamburger Startup der letzten Jahre: Vivere. Die beiden Freunde Sebastian Johnston und Christopher Glatzel kamen anlässlich einer solchen Party auf die Idee, ein Anti-Kater-Mittel zu entwickeln. Am Ende stand mit Afteralc eine Brausetablette, die noch heute erfolgreich ist.
Suchbegriffe geben den Anstoß für Produktentwicklungen
Der Weg dahin war allerdings mühsam und kurvig. Die Suche nach dem passenden Lohnhersteller, der wirksamsten Rezeptur und dem angenehmsten Geschmack kostete viel Zeit und Nerven. Eine positive Erfahrung machten sie dagegen mit ihrem bevorzugten Vertriebskanal: Amazon funktioniert wunderbar, wenn ein Produkt gewisse Suchkriterien erfüllt. Jahrelang blieb der Verkauf von Afteralc ein Nebengeschäft, Ende 2018 machten die Gründer dann ernst und ließen ihre Erfahrungen in ihr neues Unternehmen einfließen, das in der Folge Dutzende Marken und Hunderte von Produkten launchte.
Bei der Produktentwicklung verlässt sich Vivere längst nicht mehr auf persönliche Erlebnisse, sondern geht konsequent datengetrieben vor. Als wichtigste Informationsquelle dient die Analyse von Suchbegriffen. Wenn bestimmte Wortkombinationen besonders beliebt sind und dahinter die Suche nach einer Lösung für ein Problem steht, schlägt die Stunde von Vivere. Jedenfalls dann, wenn es bisher keine befriedigende Problemlösung gibt und diese „fließen oder rieseln“ könnte, wie es von Unternehmensseite heißt. Die meisten Eigenmarken und Produkte des Startups lassen sich den Bereichen Kosmetik und Körperpflege zuordnen, zum Teil auch Nahrungsergänzungsmittel.
Vivere setzt auf ein internationales Team mit hoher Kompetenz
Ein eher ungewöhnliches, aber ausgesprochen erfolgreiches Beispiel ist Belly. Wer bei Google den Suchbegriff „Hund Pflege“ eingibt, erzielt ungefähr 16,8 Millionen Treffer. Offensichtlich gibt es hier eine riesige Nachfrage, die Belly mit Shampoos, Cremes und Sprays für die geliebten Vierbeiner befriedigt. Entwickelt und hergestellt werden diese wie alle anderen Produkte von Vivere in einem eigenen Labor und einer eigenen Produktionsstätte in Hamburg. Das verkürzt die Zeit von der ersten Idee bis zur Marktreife enorm, auf zehn Wochen und weniger. Für die Qualität sorgt ein international aufgestelltes Team. Viele Mitglieder besitzen hohes akademisches Know-how oder haben früher Führungspositionen in renommierten Unternehmen bekleidet.
Das gilt auch für Dr. Roland Harste, der 2021 zu Vivere gekommen ist und als CEO fungiert. Sebastian Johnston hat das Unternehmen im Herbst 2021 verlassen. Roland stammt aus Eckernförde, hat in Hamburg studiert und hier neun Jahre für die Unternehmensberatung McKinsey gearbeitet. 2013 setzte er seine Karriere in Tirol fort, beim für sein Kristallglas weltweitberühmten Traditionsunternehmen Swarowski. Dort war er fünf Jahre lang Teil der Geschäftsführung. Eigentlich ein Traumjob in traumhafter Umgebung, doch Ende 2020 zog es ihn auch aus familiären Gründen zurück in die alte Heimat Hamburg. Mit dem Einstieg bei Vivere als Co-Founder konnte er sich zudem den Traum vom eigenen Unternehmen erfüllen.
Vielfältige Wachstumschancen bei Vivere
Dieses Unternehmen erzielt im Durchschnitt ein Wachstum von 50 % pro Jahr und strebt für 2023 einen Umsatz von bis 15 Millionen Euro an. In seiner Gesamtheit ist es noch nicht profitabel, bezüglich einzelner Projekte allerdings sehr wohl. Dabei verdient Vivere nicht nur mit den Eigenmarken Geld, sondern zunehmend auch mit Aufträgen von finanzstarken Partnern. So entwickelt das Startup gerade eine Reihe von Beautyprodukten für einen milliardenschweren Staatsfonds im mittleren Osten. Gleiches gilt für die Fitnessmarke Zumba aus den USA, die laut eigener Webseite mit ihren Workout-Kursen 15 Millionen Menschen in 180 Ländern erreicht.
Das erhöht noch einmal erheblich die Reichweite eines Unternehmens, das schon jetzt international bis nach Saudi-Arabien und China agiert und im UK am erfolgreichsten ist. Trotzdem liegt natürlich ein Schwerpunkt auf dem deutschen Markt, wo nach der Präsenz bei Amazon und eigenen Onlineshops der nächste Schritt eigentlich nur der in Einzelhandel sein kann. Die Kapazitäten für weiteres Wachstum sind schon jetzt vorhanden, theoretisch ließen sich von einzelnen Produkten bis zu 500.000 Einheiten pro Monat herstellen. Zur Skalierung trägt auch der Einsatz von künstlicher Intelligenz bei, und zwar bei der Produkt- und Markenbeschreibung ebenso wie der Erstellung von Bildmaterial. Das passt durchaus zum Selbstverständnis von Vivere, das in mancherlei Hinsicht mehr mit einem Tech-Startup gemein hat als mit einem klassischen Produzenten von Konsumgütern.
Foto: Vivere