attenio digitalisiert Montageanleitungen
Augmented Reality (AR) – das ist das nächste ganz große Ding, sagen viele. Nicht in jedem Fall, sagt attenio. Das Hamburger Startup hilft Unternehmen ihre Montageprozesse zu optimieren. Dabei kommt auch AR zum Einsatz, aber eben nicht nur. Wir haben uns schlau gemacht, wie das funktioniert.
attenio gehört nicht zu den Startups, die über Nacht aus einer spontanen Idee entstanden sind. Das Kernteam, bestehend aus Fedor Titov, Florian Tietze und Philipp Halata, hat sich schon Ende 2011 gebildet. Für die TU Hamburg führten sie ein langjähriges Projekt mit dem Namen PROSPER durch. Hinter der knackigen Abkürzung verbarg sich der Arbeitsauftrag „Produktivitätsmanagement in der schiffbaulichen Produktion ermöglichen“.
Das Team hatte die Vision von Monteuren, die mit Datenbrillen wie der eine Zeit lang schwer angesagten Google Glass agieren. Die wahren Bedürfnisse erwiesen sich dagegen als profaner. Gefragt waren, einfach ausgedrückt, digitalisierte Bedienungsanleitungen. Analysen der Arbeitsprozesse ergaben nämlich, dass beispielsweise ein Schweißer nur 1/5 seiner Zeit tatsächlich mit Schweißen verbringt. 1/3 des Arbeitstages benötigt er dagegen für Informationsbeschaffung: Wie genau und mit welchen Komponenten soll ich ein Gerät oder eine Maschine zusammenbauen?
Viele Montageprozesse sind hoch individuell
Schließlich sprechen wir hier über hochkomplexe Montageprozesse. Die klassische Fließbandproduktion findet nämlich längst durch Roboter oder in Ländern mit geringeren Lohnkosten statt. Die Kunden von attenio dagegen fertigen individuelle Produkte wie Sondermaschinen oder auch Schaltschränke, bei denen kaum ein Stück dem anderen gleicht. Dementsprechend benötigen Monteure eine Vielzahl von Informationen, die bisher in der Regel auf Papier gedruckt werden. Das ist nicht nur unhandlich, sondern auch in seinem Informationsgehalt beschränkt und oft beim Ausdrucken schon veraltet. Daher die zeitraubenden Nachfragen. Ganz klar, hier bietet sich eine Softwarelösung unbedingt an.
Die war bei attenio im Jahr 2015 im Grundsatz fertig. Bei Pilotprojekten zeigte sich allerdings, dass zwischen Forschungstheorie und Unternehmenspraxis oft noch Welten liegen. Außerdem haben die Gründer von attenio noch viele weitere Ideen für neue Funktionen. Dementsprechend wird die Software ständig weiterentwickelt und optimiert. Die Informationen erhalten die Monteure hauptsächlich auf Tablets und Computerbildschirmen. Spezialbrillen wie die Microsoft Hololens erwiesen sich bislang als nur bedingt industrietauglich.
So entstand der Name attenio
Als GmbH existiert attenio seit September 2016. Ursprünglich sollte das Unternehmen auch PROSPER heißen, aber irgendjemanden erinnerte das an Prostata, und schon war die Idee vom Tisch. Im Namen attenio stecken Athene, die Göttin der Weisheit, und der englische Begriff „attention“. Ein „A“ als Anfangsbuchstabe ist sowieso nie verkehrt, und die Endung „io“ klingt irgendwie modern.
Inzwischen besteht das Team aus acht Mitgliedern, von denen fünf in Vollzeit beschäftigt sind. Das geballte Ingenieurswissen ist dort versammelt, in Sachen Internet of Things und Industrie 4.0 macht ihnen so schnell keiner was vor. In anderen Disziplinen hat attenio von vielen Seiten kompetente Unterstützung bekommen. Ein wichtiger Ansprechpartner ist immer noch Professor Hermann Lödding vom Institut für Produktmanagement und -technik an der TU Hamburg. Als Mentor in Vertriebsfragen steht Percy Rahlf, Geschäftsführer der NET AG, bereit, vermittelt von keiner anderen als Sina Gritzuhn, der Mitgründerin von Hamburg Startups.
Viel Unterstützung für attenio
Wesentliche Impulse erhielt das attenio-Team durch das Silicon Pauli Patrons Program, bei dem erfahrene Kreative Gründern helfen. Ein Platz im SAP IoT Startup Accelerator hat dem jungen Unternehmen sicherlich auch nicht geschadet. Da gibt es zwar kein Geld, dafür aber die Anbindung an das Netzwerk des Softwaregiganten. Für die finanzielle Absicherung sorgte von Mitte 2016 bis 2017 ein Exist-Gründerstipendium, anschließend konnte attenio eine Förderung durch InnoRampUp ergattern.
Mittlerweile gibt es zahlende Kunden, die die Software testweise einsetzen und demnächst flächendeckend einführen wollen. „Perfekt informiert produziert“ lautet das Motto von attenio, und damit das mit Leben gefüllt werden kann, gibt es einen sechsmonatigen Einführungsprozess, der von ersten Gesprächen über Definition des Anwendungsfalls und mehreren Testläufen bis zur endgültigen Anwendung führt. Je nach Bedarf kommt dabei auch Augmented Reality zum Einsatz, allerdings nur in geeigneten Anwendungsfällen.
Die Hauptaufgabe von attenio ist es, Informationen intelligent zu verknüpfen und somit Monteure und Techniker perfekt in den digitalen Informationsfluss einzubinden. Wie schon erwähnt, sind die unterschiedlichen Montagefälle einzigartig, aber zumindest ähnlich, sodass die Software modular und konfigurierbar ist. Natürlich entstehen bei der Montage mit der Unterstützung von attenio auch eine Menge Daten, die bisher noch nicht hinreichend ausgewertet werden. Möglich sind eine Fehleranalyse und daraus folgend Fehlervermeidung und ein Soll-Ist-Abgleich. Das Ergebnis wird eine bessere und schnellere Produktion sein. Und das ist die einzige Form von Realität, die am Ende wirklich zählt.
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