anonetics macht das Fax im Gesundheitswesen überflüssig
„Faxverbot stürzt Gesundheitssystem in Österreich ins Chaos“ – solche und ähnliche Schlagzeilen waren in den letzten Tagen häufiger zu lesen. Für manche eine skurrile Randnotiz, für andere ein echtes Drama und eine Chance auf Wachstum für das Hamburger Startup anonetics. Das hat nämlich ein Verfahren für den sicheren und unkomplizierten Datenaustausch speziell für diese Branche entwickelt.
Die Gründer holten Inspiration aus der Familie
Eigentlich sollte das gute, alte Faxgerät nur noch im Technikmuseum zu finden sein, doch wer sich in der Startup-Szene auskennt, weiß, in wie vielen Branchen dieses immer noch eine große Rolle spielt. Schließlich zielen viele Geschäftsmodelle und Softwareangebote von Startups darauf ab, Faxe endlich überflüssig zu machen. Auch im Medizin- und Pflegebereich gibt es noch große Defizite bei der Digitalisierung. Lennox Yuma Marten und Fabian Dworschak kennen das aus erster Hand, viele ihrer Familienmitglieder sind in diesem Sektor tätig. Beide haben an der NORDAKADEMIE in Elmshorn Wirtschaftsinformatik studiert und sich früh mit dem Gedanken beschäftigt, ein Startup zu gründen.
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2023 reifte in ihnen die Idee, den Dokumentenversand im Gesundheitswesen zu vereinfachen, und sie entwickelten dafür einen Prototyp. 2024 legten sie dann richtig los mit ihrem Startup anonetics und ihr Studium vorerst auf Eis. Leisten konnten sie sich das nicht zuletzt deshalb, weil die beiden im Sommer vergangenen Jahres bereits ihre erste Finanzierungsrunde in Höhe von knapp einer Viertelmillion Euro unter Dach und Fach hatten. Beteiligt waren die Nidobirds Ventures GmbH und die Business Angels Martin Blüggel und Alois Sieburg, letzterer vertreten durch Mirko Staut.
Im Gesundheitswesen ist Datentransfer besonders sensibel
Das Problem, das anonetics adressiert, ist die Tatsache, dass im Medizinbereich große Mengen meist vertraulicher und sensibler Daten und Dokumente verschickt werden. Dabei handelt es sich um Patientenakten und Befunde, aber auch um Röntgenbilder und ähnliche visuelle Datenträger. Ein Versand ausschließlich per Fax war also schon immer nicht ausreichend, aber auch andere Vorgehensweisen, etwa per Mail oder WeTransfer, stoßen schnell an Grenzen. Ein wesentlicher Faktor ist der Datenschutz, wirklich DSGVO-konform ist eigentlich keine der genannten Methoden. Das führt dazu, dass Daten schon mal auf USB-Stick und per Kurier oder sogar mit dem Taxi verschickt werden, was übrigens gerade auch in Österreich vermehrt der Fall ist.
Das kann natürlich nicht die Lösung sein, schon gar nicht auf Dauer. Besser funktioniert da schon der Datenaustausch über eine Cloud, jedenfalls, wenn die Server in Deutschland stehen. Eine weitere Hürde ist aber oft die Handhabung. Vereinfacht gesagt: Wer bisher nur mit dem Fax vertraut war, tut sich womöglich schwer mit dem Internet. anonetics verspricht nun, das Prozedere so simpel wie möglich zu gestalten. Der Absender, in unserem Beispiel eine Arztpraxis, muss dafür ein Konto bei dem Startup anlegen. Das Team von anonetics leistet dabei gern Hilfestellung, wenn sich die Praxis in Hamburg befindet, ist sogar ein Besuch vor Ort möglich.
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Ist das erledigt, kann man die zu versendenden Dateien problemlos hochladen. Liegen einige Dokumente noch nicht in digitaler Form vor, lässt sich das per Scan mit dem Handy schnell nachholen. Der Empfänger, beispielsweise ein Krankenhaus, erhält dann eine Mitteilung, dass ein Datensatz zum Herunterladen vorliegt. Dafür ist seinerseits kein anonetics-Account erforderlich. Zum Service gehören eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, eine zeitlich begrenzte Speicherung und die Möglichkeit nachzuvollziehen, ob die Daten eingesehen und heruntergeladen wurden.
anonetics fängt gerade erst an sein Potenzial auszuschöpfen
Wirklich revolutionär ist das Prinzip nicht, aber nah an den Bedürfnissen der Zielgruppe und deshalb erfolgreich. Beim Vertrieb ist anonetics behutsam vorgegangen, hat mit Familie und Freunden angefangen, und sich dort Feedback für die Produktentwicklung geholt. Schritt für Schritt ist dann ein Netzwerk entstanden, auch durch Messeauftritte und Weiterempfehlungen. So entstanden auch erste Kontakte nach Österreich, die dem Startup jetzt zugutekommen. Trotzdem steht es noch ziemlich am Anfang und auch das Produkt ist weiterhin ausbaufähig. So ist an eine Schnittstelleneinbindung gedacht, welche die Nutzung noch einfacher und komfortabler macht.
Geld verdient anonetics in der Regel über ein Abo-Modell nach dem Software-as-a-Service-Prinzip, bei Großkunden mit längeren Vertragszeiten sind auch maßgeschneiderte Servicepakete möglich. Im Prinzip lässt sich das Angebot des sicheren und einfachen Datentransfers auch auf andere Branchen übertragen. Allerdings liegt im Gesundheitsbereich noch so viel Potenzial, dass sich das Startup vorerst darauf fokussiert. Und er weiß, wo demnächst noch das Fax verboten wird.
Fotos: anonetics