InFlagranti – alles was Recht ist
Das war ja wohl zu erwarten: Wer eine Veranstaltung wie Code Rouge ins Leben ruft, schreckt auch vor einem Event mit dem Namen InFlagranti nicht zurück. Okay, da gibt es noch den alternativen Titel 12min.LAW, aber deutet das tatsächlich auf der Thema „Recht“ hin, oder handelt es sich vielmehr um eine Abkürzung für irgendetwas Dubioses? Wir haben vergangenen Donnerstag den Selbstversuch gewagt.
Pier 11, das könnte der Name einer zwielichtigen Hafenkaschemme sein. Die Adresse, Schauenburgerstraße 10, liegt allerdings viel näher am Rathaus als an der Reeperbahn. Also rein da, mit dem Fahrstuhl in den vierten Stock, aussteigen -und schon stolpert man fast über Stühle, die direkt im Eingangsbereich stehen und die Ankündigung zu bestätigen scheinen, dass hier gleich einige Vorträge abgehalten werden.
Pier 11 ist nämlich in Wirklichkeit eine Anwaltskanzlei und InFlagranti tatsächlich das neueste Kind der 12min-Familie, die geografisch wie thematisch unaufhaltsam wächst. Seit dem 7. April ist 12min zudem ein gemeinnütziger Verein. Seriöser geht es kaum noch. Seriöser als sonst ist auch das Publikum gekleidet, in Anwaltskreisen werden Anzüge noch gern getragen (bei Bankern auch; dort ist übrigens das eingangs erwähnte Code Rouge thematisch beheimatet).
Deswegen sind Juristen nach lange nicht von gestern, wie die drei Beiträge in bewährter 12.min-Manier (12 Minuten Vortrag, 12 Minuten Fragen aus dem Publikum) beweisen. Den Anfang macht Henning Müller, der sich mit dem Dauerbrenner Arbeitsrecht beschäftigt und für Arbeitgeber und -nehmer viele nützliche Tipps parat hat.
So zum Stichwort befristete Verträge, die auch bei Startups sicherlich keine Ausnahme sind. Hier ist zu beachten: Erst den Vertrag unterschreiben, dann die Arbeit antreten; bei umgekehrter Reihenfolge spricht man von Entfristung, jegliche zeitliche Beschränkung ist dann nichtig. Eine Entfristung liegt auch dann vor, wenn ein befristeter Vertag beispielsweise um ein Jahr verlängert und gleichzeitig das Gehalt erhöht wird. Aus Arbeitgebersicht: beides trennen, um Fehler zu vermeiden.
Nächstes Dauerthema: Überstunden. Der klassische Passus „Mit der vereinbarten Grundvergütung sind sämtliche etwaigen Überstunden abgegolten.“, der so ähnlich in vielen Arbeitsverträgen vorkommt, ist unwirksam, was leider Arbeitnehmer oft nicht wissen. Tatsächlich muss die Vergütung von Überstunden vertraglich gesondert geregelt werden.
Eine weitere Selbstverständlichkeit scheint ein Jahresurlaub von 30 Tagen zu sein. Ist er aber nicht, 20 Tage ist die vorgeschriebene Mindestzahl, alles darüber ist übergesetzlich, was wichtig werden kann bei längerer Krankheit und damit verbundenem Verfall von Urlaubsanspruch. Auch wichtig, gerade für Startups: Eine sechsmonatige Probezeit darf nicht verlängert werden, und für Unternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitern gilt das Kündigungsschutzgesetz nicht.
Was den „Anwalt der Zukunft“ ausmacht, referiert nach einer Runde Klönschnack und Bier dann Dr. Daniel Biene, einer der Geschäftsführer des Legal Tech-Startups Legalbase (leider aus Berlin). Legalbase ist ein digitaler Marktplatz für juristische Dienstleistungen mit festen Tarifen und zeigt exemplarisch, in welchem Umfeld sich Juristen vermehrt bewegen müssen. Der Wettbewerb wird härter, die Preise werden fallen, gleichzeitig vergrößert sich der Markt, weil auch Klienten juristischen Rat in Anspruch nehmen werden, die bisher gewisse Hemmschwellen nicht überschreiten mochten.
Dank der neuen Technologien können sich Anwälte zukünftig viel mehr auf ihre eigentliche Kompetenz konzentrieren und müssen sich weniger mit Verwaltungskram herumschlagen. In Amerika sei diese Entwicklung mal wieder schon viel weiter, bis zu 15 Jahre, schätzt Biene, und ein Unternehmen wie legalzoom habe dort eine Markenbekanntheit von 80 %. Nun kann nicht gleich jede Anwaltskanzlei zum Startup mutieren, aber die neue Denke wird in die eher konservative Juristenszene auf jeden Fall Einzug halten.
Wenn möglich, sollte man Gesetzte, deren Entstehung und textliche Aufbereitung mit Humor nehmen. Diesen Schluss lässt zumindest der Vortrag von Dr. Kai-Uwe Platz zu, der sich mit der neuen Datenschutzgrundverordnung auseinandersetzt. Beziehungsweise mit Einwilligungserklärungen bei Gewinnspielen, der Frage, wem bei der Autovermietung entstehende Daten gehören und was die Buzzwords „Privacy by Design“ und „Privacy by Default“ bedeuten.
Am Ende ist man zwar amüsiert, allerdings nicht wirklich schlauer, zumal eine EU-einheitliche Regelung nicht in Aussicht steht und die Gerichte im Einzelfall eh mal so, mal so und mal ganz anders entscheiden. Datenschutz ist auf jeden Fall wichtig, und im Zweifel kann man ja immer noch einen Anwalt fragen.
Das war also die Premiere von InFlagranti, wie immer bei 12min eine bunte Mischung aus informativen und unterhaltsamen Vorträgen, zwanglosem Networking und guten Getränken. Fortsetzung folgt, und weitere Themen kommen bald hinzu. Wir bleiben dran!
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