Algen – ein Nahrungsmittel mit Zukunft
Beim von Hamburg Startups organisierten Food Innovation Camp 2018 in der Handelskammer Hamburg werden die wichtigsten Ernährungstrends zu sehen und zu probieren sein. Algen gehören definitiv dazu, gelten sie doch als besonders gesund und ressourcenschonend in der Produktion. Wir gehen der Frage nach, wie die Wasserpflanzen unsere Küche bereichern können.
Algen als Nahrungsmittel sind gar nicht so neu, und wahrscheinlich hat sie fast jeder schon einmal gegessen. Schließlich ist die Sorte Nori fester Bestandteil vieler Sushi-Varianten, und auch andere Arten bereichen die asiatische Küche. Hierzulande haben die Wasserpflanzen bisher allerdings höchstens Nischenstatus. Viele verbinden mit ihnen am ehesten Begriffe wie „glitschig“, „fischig“ oder „salzig“. Das ändert sich aber gerade, denn Algen bringen viele Vorteile mit, die für die Ernährung einer stetig wachsenden Weltbevölkerung von großer Bedeutung sein können.
Algen bilden keine einheitliche biologische Klasse. Am plausibelsten ist die Unterteilung in Mikro- und Makroalgen. In letztere Kategorie fällt beispielsweise der Seetang, den wir als Strandgut von Nord- und Ostsee kennen. Den sollte man besser nicht in den gemischten Salat schnibbeln. Das Schenefelder Startup Viva Maris GmbH verwendet aber tatsächlich Algen aus heimischen Gewässern, nämlich den Zuckertang und die Dulse. Beide Arten lassen sich sowohl frisch als auch getrocknet verzehren.
Zwischen Makro- und Mikroalgen bestehen große Unterschiede
Viva Maris verarbeitet den Zuckertang in einer ganzen Reihe von Produkten, von Pasta über Saucen und Brotaufstrichen bis zu Würstchen. Die Algen stammen aus Aquakulturen und der Wildzucht und werden genau kontrolliert. Das ist auch notwendig, denn die Pflanzen haben die Eigenschaft, aus dem sie umgebenden Wasser wichtige Nährstoffe aufzunehmen, aber auch Schwermetalle wie Blei und Arsen. Das in Meerwasser häufige Iod ist zwar einerseits ein wichtiger Nährstoff, in höherer Dosis allerdings ebenfalls ungesund.
Solche Probleme treten bei der zweiten Kategorie der vielseitigen Pflanzen, den Mikroalgen, nicht auf. Sie lassen sich unter vollständig vom Menschen kontrollierten Bedingungen züchten, praktisch überall. Die beliebteste Gattung ist Chlorella. Die nur wenige Mikrometer großen Süßwasserbewohner haben besonders viel Chlorophyll und daher eine kräftige grüne Farbe. Ihre Züchtung erfolgt in der Regel in Glasröhren. Die größte deutsche Farm steht in Klötze (Sachsen-Anhalt) und verfügt über ein Röhrensystem von insgesamt 500 Kilometern Länge. Es geht aber auch ein paar Nummern kleiner, eine Minifarm passt praktisch in jedes Wohnzimmer. Oder an eine Häuserwand, wie oben das Video vom EUREF-Campus in Berlin zeigt.
Algen als Superfood
Chlorella gilt als Superfood, das eine hohe Zahl essenzieller Fettsäuren enthält. Bemerkenswert ist auch der Proteingehalt von 60 Prozent, wogegen der Fett- und Kohlehydratanteil mit 5 und 1,2 Prozent kaum zu Buche schlägt. Wertvolle Mineralien sind ebenfalls drin, und was für Veganer besonders interessant ist: Vitamin B12. Das ist sonst fast ausschließlich in tierischen Nahrungsmitteln enthalten. Hier soll allerdings nicht unerwähnt bleiben, dass auf Seiten der Wissenschaft nicht vollständige Einigkeit besteht, ob und wie das B12 aus der Alge tatsächlich den menschlichen Bedarf deckt, auch wenn vieles dafür spricht.
Wer Chlorella pur kaufen möchte, kann das in Pulver- oder Tablettenform tun, denn als Salat oder Gemüse eignen sich die Mikroorganismen naturgemäß nicht. Ein wichtiger Produzent ist das Unternehmen Evergreen-Food GmbH aus Vechta mit seiner Marke Lüttge. Hier wird übrigens nicht in Glasröhren gezüchtet, sondern in Folienschläuchen und großen Becken. Eine Dose mit 100 Gramm Algenpulver kostet bei Lüttge im Onlineshop 19,90 Euro. Der relativ hohe Preis bestätigt Skeptiker in Ihrer Meinung, dass Algen in absehbarer Zeit nicht zum Massenartikel werden. Zwar sei ihre Zucht und Ernte im Vergleich zur herkömmlichen Landwirtschaft sehr resourcenschonend, aber noch recht aufwendig und damit teuer.
Algen finden nicht nur in der Nahrungsmittelproduktion Verwendung, auch als erneuerbarer Energieträger sind sie im Gespräch. So beschäftigte sich Dr. Anneliese Niederl-Schmidinger vor ein paar Jahren noch mit neuen Technologien zur Züchtung von Mikroalgen als Grundlage für Bio-Diesel. Dabei wurde ihr bewusst, welches Potenzial die Minipflanze sonst noch hat, und gründete mit ihrer Kollegin Renate Steger und der Freundin Ute Petritsch das Food-Startup Helga, abgeleitet von „healthy algae“. Helga hat nicht nur Algenpulver im Sortiment, sondern als Spezialität ein kohlensäurehaltiges Erfrischungsgetränk mit Chlorella.
Helga: Durchbruch dank „Die Höhle der Löwen“
Einem Millionenpublikum bekannt wurde das Startup aus Österreich durch den erfolgreichen Auftritt in der Gründershow „Die Höhle der Löwen“. Investor Ralf Dümmel hatte schon durch seine Mutter von den Vorteilen der Alge gehört. Da ihm die Helga-Limonade auch noch schmeckte und er ihre Massentauglichkeit erkannte, stieg er bei Helga ein. Dank der Vertriebsmacht seines Unternehmens DS Produkte haben sich die Umsätze seither vervielfacht. Lieferengpässe sind trotzdem nicht zu befürchten. Die Chlorella kommt von der schon erwähnten Farm in Klötze, und die ist bekanntlich groß.
Neben Chlorella taucht ein weiterer Mikroorganismus auf immer mehr Zutatenlisten auf: Spirulina. Früher bezeichnete man ihn auch als Blaualge, obwohl er streng genommen gar keine Alge ist, sondern zu den Cyanobakterien gehört. Spirulina gilt ebenfalls als besonders gesundes und nährstoffreiches Superfood, wobei man auch hier bei zu überschwänglichen Produktversprechen vorsichtig sein sollte. Die Veganspezialisten von PureRaw haben Spirulina beispielsweise in ihrer Trinkmischung Einhorn-Zauber, was das Pulver schön blau färbt. Und WHAPOW peppt seine Eis-Smoothies ebenfalls mit den Cyanobakterien auf.
Das passiert bisher alles vorerst noch in der Nische, weil die Verbraucher sich erst an die neuen Produkte gewöhnen müssen und bisher wenige Farmen existieren. Da diese aber wenig Platz verbrauchen und Algen sehr viel schneller wachsen als herkömmliche Nutzpflanzen, besteht großes Skalierungspotenzial. Dadurch könnten die Preise fallen und die Nachfrage steigen. Algen werden in Zukunft also mit ziemlicher Sicherheit häufiger auf unseren Speisezetteln auftauchen – und die Welt ein bisschen besser machen.
Alle Food-Trends gibt es bei Food Innovation Camp!
Am 2. Juli veranstaltet Hamburg Startups in Kooperation mit dem StartupSpot zum zweiten Mal das Food Innovation Camp in der Handelskammer Hamburg. Das erste Food Innovation Camp 2017 war bereits ein großer Erfolg: über 1100 Besucher, 78 Aussteller, über 500 Matchmaking-Gespräche zwischen Food-Startups und Entscheidern aus Handel und Gastronomie und auch Investoren, spannende Vorträge und die Preisverleihung des ersten Hamburger Food Awards belegen das. Und das erwartet die Besucher 2018:
- Networking mit den Entscheidern aus Handel, Gastronomie und Investment.
- Zahlreiche Aussteller präsentieren schmackhafte Innovationen und neueste Entwicklungen aus Food-Tech, Logistik und mehr.
- Das Rahmenprogramm greift diese Trends auf und bietet fundierte Informationen in Fachvorträgen, Diskussionsrunden und Workshops.
- Speeddatings und Matchmakings bringen Startups und Vertreter des Groß- und Einzelhandels, Investoren und Kooperationspartner zusammen.
- Presse- und Bloggerführungen durch die Expo bieten den Ausstellern direkten Kontakt zu interessierten Multiplikatoren.
- Ein Pitch-Bühne bietet Startups die Möglichkeit, sich vor Entscheidern und Investoren zu präsentieren.
- Als Höhepunkt werden wieder die Hamburg Startups Food Awards vergeben!
Alle Infos zum Food Innovation Camp, auch wie man sich als Aussteller bewerben kann und wie man Tickets bekommt, gibt es hier.