AIRY – ein Blumentopf als Gewinn für die Gesundheit
Blumentopf-Startup – das klingt zunächst wenig aufregend. AIRY ist aber viel mehr als das, auch wenn im Mittelpunkt tatsächlich ein Blumentopf steht. Der allerdings ist einzigartig und kann dazu beitragen, die Gesundheit von Millionen Menschen entscheidend zu verbessern.
Peer-Arne Böttcher hat in seinem Berufsleben schon einiges erlebt. Im zarten Alter von zehn Jahren begann seine Karriere als Journalist mit einer bezahlten Schachkolumne in der Glinder Zeitung, mit 19 veröffentlichte er ein Buch, für das Prominente Leuchttürme gemalt hatten. Er war Reisereporter, leitete zusammen mit XING-Gründer Lars Hinrichs eine Agentur für Unternehmenskommunikation, gründete 2002 eine Beteiligungsgesellschaft und 2008 den Business Club Hamburg. Und ausgerechnet er sollte sich für einen Blumentopf interessieren?
Helge Knickmeier ist seit der Kindheit Allergiker, besonders Pollen und Lösungsmittel machen ihm zu schaffen. Linderung verschafft ihm gründlich gereinigte Luft, für die am zuverlässigsten Pflanzen sorgen. Allerdings nehmen die nur einen kleinen Teil der Schadstoffe über die Blätter auf, am effektivsten tun das die Wurzeln. Die sind aber bei herkömmlichen Blumentöpfen weitgehend von der Außenwelt abgeschottet, Luft kommt an sie kaum heran. Also entwickelte Helge einen Topf mit einem ebenso simplen wie bahnbrechenden Belüftungssystem.
Eine Studie der NASA war der Anstoß
Als Helge vor mehr als vier Jahren seinen Prototypen vorzeigte, erinnerte der Peer-Arne zunächst an ein Kinderklo. Der erste Eindruck hielt ihn aber nicht davon ab, sich ernsthaft mit dem Thema zu beschäftigen. Die wichtigsten Informationen dazu liefert eine Studie der NASA. Dass Pflanzen vereinfacht gesagt über ihre Blätter mithilfe der Fotosythese Kohlendioxid in Sauerstoff umwandeln, war schon lange bekannt. Neu war die Erkenntnis, wie stark sie die Luft von beispielsweise Feinstaub und flüchtigen organischen Verbindungen (VOCs) reinigen. Die Belastung durch diese Schadstoffe ist in geschlossenen Räumen oft erheblich höher als selbst in viel befahrenen Straßen von Großstädten.
VOCs verdampfen aus festen und flüssigen Materialien, wie sie überall im Haushalt zu finden sind. Was Menschen belastet, ist für Pflanzen buchstäblich ein gefundenes Fressen – sie müssen mit ihren Wurzeln nur an die Stoffe rankommen. Dafür nutzt der von Helge entwickelte Topf den sogenannten Kamineffekt. „Durch drei Lamellen im unteren Bereich des Topfes kann Luft zwischen dem Innentopf und der äußeren Hülle nach oben steigen und durch Öffnungen am Rand wieder austreten. “
AIRY auf dem Weg zum IoT-Startup
Diese Beschreibung stammt aus einer Broschüre von AIRY. So heißt das Startup, das Peer-Arne und Helge 2015 gründeten, zusammen mit Kai Pohlmann, der sich inzwischen aus dem operativen Geschäft zurückgezogen hat. Gleich zu Beginn machte das junge Unternehmen durch eine Kickstarter-Kampagne auf sich aufmerksam und lieferte Anfang 2016 die ersten Töpfe an seine Unterstützer. Momentan gibt es zwei Basismodelle, den mittelgroßen „pot“ und die große „box“, übrigens inzwischen mehrfach mit Designpreisen ausgezeichnet und patentgeschützt. Im Februar 2019 soll noch ein kleineres Modell dazukommen.
Schnell wurde klar, dass die Kunden von AIRY keine ausgesprochenen Pflanzenliebhaber waren und Beratungsbedarf hatten. Deswegen können sie über den Onlineshop inzwischen auch Mineralsubstrat und vier verschiedene Topfpflanzen bestellen, sie bekommen also das Gesamtpaket. Damit ist aber das Marktpotenzial noch längst nicht erschöpft. Nicht umsonst heißt das Unternehmen mit vollem Namen „AIRY GreenTech GmbH“ und sieht sich mittelfristig als Internet of Things-Startup. Wobei die „Things“ eben auch Pflanzen sind.
Einen großen Schritt in diese Richtung bedeutet die Zusammenarbeit mit der Universität des Saarlandes. Dort hat man eine Sensortechnologie entwickelt, die Messungen im ppb-Bereich ermöglicht. ppb steht für „parts per billion“, also Teile pro Milliarde. Diese Technologie bringt einen enormen Fortschritt, bisher war ppm, also parts per million, der Standard. Die neue Genauigkeit bei der Messung ist notwendig für eine aussagekräftige Analyse der Raumluft. Das passende Gerät dafür hat AIRY inzwischen gebaut, es steht kurz vor der Serienreife. Zielgruppe sind vor allem Unternehmen, die damit die Luftqualität an den Arbeitsplätzen messen und sich den Ergebnissen entsprechend mit Pflanzen ausstatten können.
Begeisterte Kunden wurden zu Vertriebspartnern
Bisher hat AIRY sein Geld hauptsächlich mit Endkunden verdient, ausschließlich über den Onlineshop und ohne nennenswerte Marketingmaßnahmen. Vertriebspartner gibt es aber auf der ganzen Welt, einige von ihnen sind Überzeugungstäter im besten Sinn. Dazu gehören eine Mutter aus Deutschland, deren Kind dank AIRY nach jahrelangen Schlafstörungen endlich durchschlafen kann, und ein Mann aus Chile, der früher einen ganzen Stapel Medikamente gegen seine Allergien brauchte. Jetzt kommt er ohne sie aus.
Sechs feste Mitarbeiter hat AIRY momentan, acht Gesellschafter und vier Millionen Euro Eigenkapital. Der Eintritt in den Einzelhandel steht unmittelbar bevor. In dieser Situation wäre weiteres Kapital von Investoren willkommen. Mit DS Produkte, der Firma des TV-Löwen Ralf Dümmel, hat man schon einen mächtigen Logistikpartner gefunden. Auch die PR-Maschine läuft an. Es wird einen Beitrag im Fernsehmagazin „Welt der Wunder“ geben und einen Auftritt in der SAT.1-Show „Wie genial ist das denn?!“, für die ein Sendeplatz allerdings noch gesucht wird.
Ziemlich genial, davon sind die Macher überzeugt. Wie viele ambitionierte Gründer haben sie nicht nur den Wunsch Geld zu verdienen, sondern vor allem, die Welt ein bisschen besser zu machen. In Grünpflanzen, die in jeder Wohnung und in jedem Büro Platz haben, haben sie dafür ideale Verbündete gefunden.
Übrigens: AIRY gehört auch zu der großen Startup-Delegation, die Hamburg beim South by Southwest Festival in Austin, Texas vertreten wird!
Traditionell haben Hamburger Startups auf dem South by Southwest Festival (SXSW) in Austin, Texas eine ausgezeichnete Figur gemacht. Hamburg Startups ist mittlerweile offizieller Partner der Veranstaltung und berichtet hier über die SXSW-Abenteuer der bisher größten von uns begleiteten Delegation, die wir vor Ort tatkräftig unterstützen. Möglich machen das unsere grandiosen Partner von der Deutschen Bank, Hamburg Invest, Beiersdorf , der Sutor Bank, Lufthansa Industries Solutions sowie EY und Vast Forward, bei denen wir uns ganz herzlich bedanken!
Fotos: AIRY GreenTech GmbH