Storydive macht Kino für die Ohren
Wer seine Stadt besser kennenlernen möchte, sollte mit offenen Augen durch die Straßen gehen. Wer dabei noch zusätzlich spannende oder lustige Abenteuer erleben möchte, sollte zudem die Ohren spitzen und sich die App von Storydive herunterladen. Die bietet nämlich Audiowalks, die einen Spaziergang zum Erlebnis machen.
Die Geschichte von Storydive beginnt in Karlsruhe und ihre Hauptfiguren sind Sophie Burger und Fabian Eck, die sich seit 18 Jahren kennen. Fabian hat Meteorologie und Informatik studiert, aber statt eine Karriere als Wetterfrosch im Fernsehen anzustreben, übernahm er 2014 lieber die Geschäftsführung des Karlsruher Kinos „Die Kurbel“. Unterstützung bekam er dabei von Sophie, einer Theater-, Film- und Literaturwissenschaftlerin.
Durchbruch bei einem Filmfestival
Eines ihrer Lieblingsthemen sind Audiowalks, mit denen sie sich seit 2009 beschäftigt. Das Prinzip ist bekannt von den Audioguides, die heutzutage in fast jedem Museum zur Verfügung stehen und die Exponate erklären. Bei Audiowalks steht allerdings oft die kreative Komponente im Vordergrund. Auch Fabian hatte sich schon früh für das Format interessiert, und so war es nur konsequent, dass die beiden gemeinsam ein eigenes Projekt dazu entwickelten.
Im Februar 2017 feierte dann Storydive bei einem Filmfestival in Rotterdam Premiere, wenn auch nicht unter diesem Namen. Die Idee kam auf jeden Fall gut an und brachte dem Duo den Audience Award des Propellor Film Tech Hubs ein. Kein Wunder, denn das Versprechen, per Audiowalk Star im eigenem Film sein zu können, ist für viele verlockend.
Storydive gibt dabei das Drehbuch vor, die Stadt, in der man sich gerade befindet, ist der Schauplatz. Damit die Interaktion glaubwürdig gelingt, sind eine Reihe von Kriterien zu beachten. Die Geschichte eines Audiowalks verläuft nicht streng linear, sondern hängt unter anderem von den Wegen ab, die man einschlägt und den Entscheidungen, die man unterwegs trifft. Vergleichbar ist das mit den komplexen Erzählstrukturen von Videospielen.
Gute Audiowalks sind eine erzählerische und technische Herausforderung
Autorinnen und Autoren erhalten deshalb zunächst über Workshops und Webinare Tipps, wie sich solche Geschichten am plausibelsten aufbauen lassen. Zu der kreativen kommt dann noch die technologische Herausforderung, etwa beim richtigen Einsatz von GPS und der Berücksichtigung von unterschiedlichen Gehgeschwindigkeiten.
Sophie und Fabian verbrachten immer mehr Zeit mit der Entwicklung der App und konzentrierten sich ab 2018 ganz auf Storydive. Möglich machte das auch das Förderprogramm Sandbox der Hochschule der Medien in Stuttgart. Zusätzlichen Schub brachte ein EXIST-Gründerstipendium. Aber auch das läuft bekanntlich nach zwölf Monaten aus, also machte sich Storydive auf die Suche nach einer Anschlussförderung und wurde fündig in Hamburg.
Media Lift holt Storydive von Stuttgart nach Hamburg
Genauer gesagt, beim Förderprogramm Media Lift von nextMedia.Hamburg. Das lockte Storydive 2021 nicht nur für die fünfmonatige Programmlaufzeit in den Norden, sondern dauerhaft. Firmensitz der neu gegründeten SBAE GmbH ist nämlich Hamburg. Die Abkürzung steht für Situation Based Audio Experiences; der Markenname Storydive bleibt aber erhalten.
Das Angebot selbstverständlich auch, nämlich Audiowalks, bei denen der Unterhaltungscharakter im Vordergrund steht. Das kann eine Krimigeschichte sein, eine lustige Monsterjagd für Kinder oder die Abenteuer einer Person aus der Vergangenheit in der heutigen Zeit. Rund 30 Episoden sind momentan abrufbar, mit Schauplätzen in 18 deutschen Städten, kleinen wie großen.
Es gibt noch viel zu erzählen
Die Nutzung der App ist momentan noch kostenlos, Geld verdient Storydive vor allem über die Sponsoren der einzelnen Geschichten. Bei einen Audiowalk wird beispielsweise ein Moderator von Radio Gong entführt, eine besonders fruchtbare Kooperation, weil der Radiosender ordentlich die Werbetrommel dafür gerührt hat. Die eigentlich naheliegendste Variante, nämlich von Tourismusverbänden geförderte Stadtrundgänge, stehen bisher nicht im Fokus, sind aber selbstverständlich möglich.
Weitere Angebotsziele von Storydive sind werbefreie Walks gegen Bezahlung, internationale Schauplätze und universell verwendbare Geschichten. In Kurzform gibt es die testweise schon. Ein normaler Audiowalk dauert circa eine Dreiviertelstunde, diese Mini-Episoden drei bis fünf Minuten. Sie sind nicht an spezielle Straßen oder Gebäude gebunden, sondern an Orte, die sich überall finden lassen, etwa Bushaltestellen oder Parkbänke. Alltagsabenteuer lassen sich schließlich an jeder Ecke erleben und Storydive hilft dabei der Fantasie auf die Sprünge.
Foto: Leevke Draack