Tiger Media gibt Kinderhörspielen ein neues Zuhause
Früher war der Kassettenrekorder die Schatzkiste für Hörspiele, heute soll es die tigerbox TOUCH sein. Das zumindest ist das Ziel des Hamburger Startups Tiger Media, das nicht nur die neue Hardware für Kinder entwickelt hat, sondern über seinen eigenen Streamingdienst auch gleich die Inhalte liefert.
Der 1946 gegründete Verlag Friedrich Oetinger war ursprünglich gar nicht auf Kinderbücher ausgerichtet. Das änderte sich 1949 als er die deutschen Rechte an den Romanen von Astrid Lindgren erwarb. Der Rest ist Geschichte, aber auch auf den größten Erfolgen sollte man sich nicht ausruhen. Also begann man in den Nullerjahren bei Oetinger, über digitale Wertschöpfungen nachzudenken. Dabei herausgekommen ist StoryDOCKS, geleitet vom Oetinger-Enkel Till Weitendorf.
Gesellschaftsrechtlich von seinem Mutterhaus mittlerweile unabhängig, hat StoryDOCKS als Company Builder eine Reihe von Medien-Startups auf den Weg gebracht, unter anderem Framily, über das wir bereits ausführlich berichtet haben. Ebenfalls zur Familie gehört Tiger Media, das bei der Vermarktung von Hörspielen für Kinder neue Wege geht. Die ersten Ideen entstanden schon 2011. Zuerst versuchte man es mit einer App, über die sich interaktive und klassische E-Books, einzelne Hörspiele und Filme herunterladen ließen. Die konnte sich nicht wie so wie erhofft durchsetzen.
Zielgruppenbefragung führte zur Entwicklung der tigerbox TOUCH
Daraufhin versuchte man es mit einem Abomodell und fokussiere sich auf Hörmedien. Um das attraktiv zu gestalten, war ein umfangreiches Angebot erforderlich. Die Verhandlungen mit den Rechteinhabern zogen sich zum Teil über Jahre. Einfach selber neue Inhalte zu schaffen hätte nicht funktioniert, die Branche lebt zu einem großen Teil von einigen Bestsellern, die oft 30 Jahre und länger auf dem Markt sind. Beispielsweise erschien die erste Folge von „Die drei ???“ schon im Jahr 1979.
2017 hatte Tiger Media praktisch alle attraktiven Hörspiele im Angebot, doch die Zahl der Abonnements bliebt ernüchternd niedrig. Regelmäßige Befragungen der Zielgruppe – also Eltern und Kinder – brachte die entscheidende Erklärung. Vor allem kleinere Kinder besitzen häufig noch kein Smartphone und keinen Computer und die Eltern möchten ihre teuren Geräte nicht unbeaufsichtigt in deren Hände geben. Zudem ist die Frage der Nutzungsdauer für viele Eltern relevant. Die Erweiterung des Content-Angebots um eine Hardware-Komponente war die logische Schlussfolgerung.
Der CEO ist ein erfahrender Digital- und Verlagsprofi
Also entwickelte Till Weitendorf zunächst die tigerbox Bambus Edition. Ihm zur Seite stand dabei Martin Kurzhals, mittlerweile CEO bei Tiger Media. Martin hat mehrfach miterlebt, wie rasant es in der Digitalbranche auf und ab gehen kann. 2000 holte ihn kurz vor seiner Diplomarbeit der Unternehmer Alexander Falk aus dem Studium des Wirtschaftsingenieurswesens in sein Internet-Dienstleistungsunternehmen ISION. Das erlebte kurzzeitig einen raketenhaften Aufstieg. Die ganze ISION-Geschichte würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen, daher hier nur die Ultra-Kurzfassung: Sie ging nicht gut aus.
Martin konnte seine Diplomarbeit nachholen und leitete eine Weile Marketing und Vertrieb des Klingeltonanbieters Jamba, ein weiteres Erfolgsunternehmen aus der Anfangsphase dieses Jahrhunderts, das inzwischen Geschichte ist. Der Job war aufregend, aber auf Dauer zu stressig, also wechselte Martin in die Verlagswelt. Auf einer Messe lernte er Till kennen, der ihn 2013 für Oetinger und schließlich StoryDOCKS und Tiger Media gewinnen konnte.
Zu Tiger Media gehört auch ein eigener Streamingdienst
Ende 2019 kam endlich die sorgfältig geplante tigerbox TOUCH auf den Markt. Dabei handelt es sich um ein würfelförmiges Gerät, über das sich tigercards abspielen lassen, speziell dafür entwickelte physische Datenträger. Den Löwenanteil des Umsatzes macht das Unternehmen allerdings mit den tigertickets, die über einen bestimmten Zeitraum unbegrenzten Zugriff auf den eigenen Streamingdienst tigertones erlauben.
Wie gesagt, lässt das Angebot kaum Wünsche offen, gleichzeitig können die Eltern via App filtern, was ihre Kinder hören dürfen und was nicht. Probleme wie gerade mit Netflix, dessen brutale Erfolgsserie “Squid Game” schon in Kitas nachgespielt wird, kann es mit der tigerbox ohnehin nicht geben, denn sie gewährt nur Zugriff auf die eigene, kuratierte Mediathek und nicht auf das Internet insgesamt.
Um eine Frage kommen wir leider auch bei Tiger Media nicht herum, nämlich die, welchen Einfluss die Corona-Krise auf den Geschäftserfolg hatte und hat. Wenige Monate nach Vertriebsstart brach die Pandemie aus, mit den bekannten Folgen wie vorübergehende Schließungen von Läden und Kontaktbeschränkungen auch für Kinder. Ein neues Gerät wie die tigerbox muss vorgeführt werden und lebt auch von der Mundpropaganda; beides war über viele Monate eingeschränkt.
Ebenso wie die Möglichkeiten der Freizeitgestaltung für Kinder, weshalb die Box umso intensiver genutzt wurde und wird. Durchschnittlich zwei Stunden am Tag, während des ersten Lockdowns zu Ostern 2020 sogar viereinhalb Stunden. Da kamen die Server fast schon an ihre Belastungsgrenze. Von ihren Lieblingshörspielen können Kinder oft sowieso nicht genug bekommen, weshalb das Interesse so schnell nicht nachlässt. 70 % der Abos gehen daher auch über zwölf Monate, obwohl kürzere Laufzeiten möglich sind.
Das Angebot wächst mit den Kindern
Die tigerbox TOUCH ist so konzipiert, dass schon Kinder, die noch nicht lesen können, ihren Spaß damit haben. Ihre Lieblingsgeschichten finden sie anhand von passenden Bildern auf einem Touch Display. Dabei wächst die Box mit den Hörvorlieben der Kids mit und bietet von Klassikern wie Benjamin Blümchen und TKKG über Disney-Produktionen und klassische Märchen bis hin zu Sachgeschichten eine Auswahl für jedes Alter. Über 10.000 Titel sind inzwischen im Angebot, darunter auch zunehmend Musik, bevorzugt deutschsprachiger Pop und klassische Kinderlieder. Über 100.000 Boxen wurden bereits verkauft, das Team ist seit 2019 von fünf auf 15 Personen angewachsen und strebt 2021 einen Jahresumsatz von zehn Millionen Euro an.
Damit ist Tiger Media noch ein gutes Stück entfernt von der Düsseldorfer Boxine GmbH, die von ihrer Toniebox schon um die zwei Millionen Stück verkauft hat sowie einen Börsengang und eine Milliardenbewertung ansteuert.. Die optische Ähnlichkeit zur Toniebox ist unverkennbar. Dazu verfügen beide Hörboxen über analoge Elemente, damit schon die Kleinsten ein Hörspiel starten können. Bei der Toniebox sind das Spielfiguren, Tonies, über die sich Hörspiele einzeln herunterladen lassen. Allerdings erweitert die tigerbox TOUCH die Möglichkeiten durch das Touch Display und den Streamingdienst erheblich und bleibt für Kinder bis mindestens zwölf Jahre attraktiv.
Investoren glauben jedenfalls, dass Tiger Media noch großes Potenzial hat. Mit der ProSiebenSat1-Tochter SevenAccelerator und Sony Music Entertainment Germany mit seinem Kinder- und Jugendhörbuch-Label EUROPA stiegen diesen Sommer zwei kongeniale Partner ein. Das ermöglicht eine Intensivierung der Marketingaktivitäten. Das ermöglicht eine Intensivierung der Marketingaktivitäten. Zu kommunizieren gibt es da in Zukunft einiges, etwa über einen digitalen Adventskalender, der jeden Tag ein neues Kapitel freigibt, ein selbst produziertes Musikalbum, sowie Kopfhörer, die ein ungestörtes Hörerlebnis ermöglichen.