Höhle der Löwen: Auf die Bewertung kommt es an
Worum geht es eigentlich bei „Die Höhle der Löwen“? Um innovative Produkte und tolle Gründerinnen und Gründer? Ja, sicherlich, aber gerade in der Folge vom 7. September stand mal wieder ein Thema ganz oben auf der Tagesordnung: die Bewertung des Unternehmens. Da klafft oft eine große Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit und eine zu hohe Selbsteinschätzung verhindert so manchen Deal. Wie es bei vly, Schreibpilot, not less but better, HitPartner und bruXane ausgegangen ist, erfahrt ihr in unserem Nachbericht.
Die Bewertung von vly geht auf keine Kuhhaut
Am Anfang steht eine Demonstration für die Rechte von Milchkühen. Die müssen in der Massenproduktion oft unter elenden Bedingungen leben. Ein echter Missstand und einer der Gründe für den Boom von Milchersatzprodukten. Diese basieren zumeist auf Soja, Hafer oder Reis und haben einen Makel: Ihr Nährstoffgehalt, vor allem, was Proteine angeht, kann mit dem der klassischen Kuhmilch nicht mithalten. Das Team von vly hat mehrere Jahre an der TU Berlin geforscht, um die Lücke zu schließen, was annähernd eine Million Euro gekostet haben soll. Am Ende hat sich die gelbe Spalterbse als beste Ausgangszutat für den neuen Milchersatz herausgestellt. Innerhalb von vier Wochen hat vly in 30 Berliner Märkten 20.000 Liter davon verkauft, jetzt sollen die Löwen zuschlagen.
Die sind zumindest mit dem Geschmack einverstanden und erkennen auch das Potenzial, das in dem Produkt steckt. Klar, der Markt für vegane Lebensmittel ist hart umkämpft und große Konzerne haben ihn längst für sich entdeckt. Um da als Startup überleben zu können, muss man ganz schnell groß und bekannt werden. Das kostet. Der größte Abtörner für die Löwen ist aber die Bewertung. Für 500.000 Euro will das vly-Trio nur 8 % Unternehmensanteile abgeben. Völlig indiskutabel, alle steigen aus, bis auf Georg Kofler, der reichlich sportliche 35 % fordert. Das Gegenangebot von 10 % ist dann auch eher ein Witz, dessen Pointe nicht zündet. Hier hat man den Eindruck, dass eigentlich niemand so richtig auf einen Deal aus war.
Der Schreibpilot landet einen Deal
Ganz anders beim nächsten Pitch. 50.000 Euro für 20 % klingt nicht gerade nach akuter Selbstüberschätzung. Dafür ist das Produkt, um das es geht, weder digital noch nachhaltig noch sonstwie hip, sondern buchstäblich „old school“. Der Schreibpilot ist ein Heft, das Kindern das Schreiben lernen erleichtern soll. Im Zeitalter von Smartphone und Tablet fehlt dafür oft die Feinmotorik. In dem Lernheft sorgen nun Vertiefungen in den Seiten dafür, dass der Stift geführt wird und die Kinder Buchstaben dadurch richtig schreiben. Von Zeile zu Zeile werden die Vertiefungen flacher und am Ende geht es dann auch ganz ohne. Das Prinzip funktioniert auch mit ganzen Wörtern, Zahlen und Schreibschrift.
Die Löwen finden die Idee charmant, glauben aber nicht, dass sich darauf ein dauerhaftes Geschäft aufbauen lässt. Außerdem sei die Digitalisierung auch im Kinderalltag wichtiger, und wer wisse schon, ob in fünf bis zehn Jahren noch mit der Hand geschrieben werde. Ralf Dümmel ist das in der Gegenwart „scheißegal“, er mag die Gründer, die sich als Nachbarn seit Jahrzehnten kennen, und das Produkt. Die Bewertung ist auch mehr als fair. Dümmel will 25 % und bekommt den Deal.
not less but better lässt die Löwen meditieren
Jetzt ist es raus: Nico Rosberg ist ein Junkie. Er ist süchtig nach exzessiver Handynutzung, weshalb er auch kein Smartphone besitzt, sondern nur ein ganz simples Mobiltelefon. So wie ihm geht es vielen, doch jetzt ist Hilfe in Form der App not less but better in Sicht. Die soll ihre Nutzer mit einer Mischung aus Meditationsübungen, Tipps und Tricks auf den rechten Weg bringen. Für den wissenschaftlichen Unterbau sorgt die Psychologin Christina Roitzheim, für die Programmierung ist Marius Rackwitz zuständig und Selcuk Aciner ist der Mann für geschäftliche Fragen. Die Mischung stimmt also schonmal.
Was die App taugt, können die Löwen in einem kleinen Selbstversuch nur erahnen. Immerhin kommen sie kurz ins Meditieren, Georg Kofler und Nico Rosberg sogar im Schneidersitz. Der Ex-Weltmeister fragt, ob sich das Prinzip auch auf andere Süchte übertragen ließe. Ja, geht. Ein Grund mehr für ihn, sich mit Carsten Maschmeyer zu beraten und einen gemeinsamen Deal anzubieten: 150.000 Euro für 25 %. Womit wir wieder beim Thema Bewertung und Prozente wären. Eigentlich sollten es nur 10 % sein. Die Gegenangebote fliegen hin und her: 13 %, 20 %, 15 %. BWLer Selcuk vertritt die harte Linie, doch dann lässt auch er sich vorübergehend davon überzeugen, die 20 % zu akzeptieren. Nachträglich platzt der Deal dann doch noch – wegen der Bewertung, wie es heißt.
Bei HitPartner geht der Ball knapp ins Aus
Jetzt ist es raus: Judith Williams ist eine lausige Tennisspielerin. Sie trifft kaum einen Ball und niemand möchte mit ihr auf den Platz gehen. Da kommt ihr der HitPartner gerade recht. Der lässt sich nämlich im Garten oder etwas großzügigeren Innenräumen aufstellen und beschwert sich nicht über missratene Schläge. Kernstück der mobilen Tenniswand ist ein schräg gespanntes Tuch, dazu kommen einige Extras, die dafür sorgen, dass der Ball nicht zu schnell zurückrollt oder verspringt. Wie das funktioniert, demonstriert Nico Rosberg, der offensichtlich auch mit dem Tennisschläger umzugehen weiß.
399 Euro kostet so Gerät, 300 Stück hat sein Erfinder Alexander Lenfers davon im vergangenen Jahr verkauft. Da ist noch Luft nach oben, zumal allein der Deutsche Tennisbund fast 1,4 Millionen Mitglieder hat. Ob die aber alle als potenzielle Kunden infrage kommen, bezweifeln die Löwen. Carsten Maschmeyer fehlt zudem die Kontrolle, etwa durch digitale Komponenten, ob die Schläge auch korrekt ausgeführt werden. So hält sich der Lerneffekt in Grenzen. Vielleicht wären Tennistrainer- und vereine die geeigneteren Abnehmer, doch diese Perspektive reicht nicht für einen Deal. An der Bewertung hat es dieses Mal nicht gelegen.
Kein Grund zur Zerknirschung bei bruXane
Zähneknirschen im Schlaf – das klingt zunächst nicht sehr dramatisch und verführt zu einer Reihe von Wortspielen (die wir uns auch nicht ganz verkneifen können). Tatsächlich ist Bruxismus, so der wissenschaftliche Name, ein echtes Volksleiden, das fast die Hälfte der Bevölkerung auf die eine oder andere Weise beeinträchtigt. Verspannungen, Kopfschmerzen oder Tinnitus gehören zu den Folgeschäden. Zu den Betroffenen gehört auch Bianca Berk, die zusammen mit Dr. Jörg Köhler nach einem Gegenmittel gesucht hat. Neun Jahre Entwicklungsarbeit stecken in bruXane. Herkömmliche Knirscherschienen verhindern zwar die Abnutzung der Zähne, stoppen aber nicht das Knirschen selbst. Die Schiene von bruXane sendet nun Signale aus, die die Betroffenen nicht aufwecken, aber den Körper konditionieren, das Knirschen zu unterlassen.
Das ist durch klinische Studien belegt, patentiert und als Medizinprodukt zugelassen. Die zum Zeitpunkt der Aufzeichnung erfolgten Verkäufe – 700 Stück von der Basisversion 2go, 150 von individuell angefertigten Schienen – ernüchtern allerdings. Womit wir mal wieder bei der Bewertung wären. Die fällt beim Wunschergebnis von 600.000 Euro für 10 % unangemessen hoch aus. Das gefällt den Löwen nicht und beim Pitch hat es auch an einigen Ecken geknirscht. Dagmar Wöhrl, Carsten Maschmeyer und Ralf Dümmel, allesamt Knirscher, glauben trotzdem an das Produkt, beraten sich und wollen zusammen 36 %. Das sorgt vorübergehend für nachdenkliche Gesichter bei dem Gründerduo, doch sie akzeptieren schließlich ohne Nachverhandlung. So ganz zustande kommt der Deal dann doch nicht, in der offiziellen Pressemitteilung heißt es: „Die bisherige Zusammenarbeit erfolgt in Form von einer umfangreichen Vertriebskooperation und einer Vorfinanzierung der Produktion durch DS Produkte sowie Unterstützung durch Know-how und Netzwerk der Löwen und ihrer Teams.“
Beitragsbild: TVNOW / Bernd-Michael Maurer