Excagol trifft jede Vene
Gibt es gute und schlechte Venen? Ja, wenn es darum geht, eine Spritze bei der Blutentnahme richtig zu platzieren. Dann sind schlechte Venen solche, die schwer zu finden und zu treffen sind. Das Hamburger Startup Excagol entwickelt nun ein Gerät und die dazugehörige Software, um das Problem zu lösen.
Eilon Mario Netzer hat Medizintechnik studiert und dabei auch einen Fokus auf betriebswirtschaftliche Themen gesetzt, denn der Gedanke zu gründen hat ihn schon lange begeistert. Bei seinen Gesprächen mit Ärzten und medizinischem Personal stieß er immer wieder auf ein Problem, dass offensichtlich Millionen betrifft. Die Blutentnahme ist eigentlich eine Routineprozedur, doch die dafür erforderliche Punktion einer Vene kann zum Glücksspiel werden, wenn das Blutgefäß mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen ist. Heutzutage gibt es für fast alles eine technische Lösung, warum nicht auch dafür?
Ultraschall als Venendetektiv
Aus dieser Überlegung entwickelte Eilon Mario in den letzten zwei Jahren eine Geschäftsidee, die er durch weitere Recherchen unterfütterte. Eine vielfach in der Medizin angewendete Methode ist die Ultraschalluntersuchung, auch Sonografie genannt. Jeder kennt die dabei entstehenden Bilder von ungeborenen Kindern. Ultraschall eignet sich grundsätzlich sehr gut zur Sichtbarmachung von organischem Gewebe und die dabei genutzten Schallwellen sind zudem gesundheitlich völlig unbedenklich. Dementsprechend könnte Sonografie auch für das Aufspüren von Venen die Lösung sein.
Die dafür geeigneten Maschinen waren bisher allerdings sehr groß, unhandlich und ziemlich teuer. Gesucht wird aber ein Gerät, das leicht ist, mobil, schnell einsetzbar und sehr präzise bei der Venenerkennung. Schließlich sollte es sogar noch automatisch die Spritze setzten können. Genau daran arbeitet das seit Anfang des Jahres bestehende Startup Excagol, zu dessen Gründungsteam auch Van Nguyen (Medizintechnikerin, Product & Quality Manager), Lawrence Netzer (Software & Hardware Development Manager) und Martin Bukowski (Product & Business Manager), mit gut 25 Jahren Berufserfahrung der Senior, gehören.
Die Spezialität von Excagol ist die Software
Zum Glück ist die technologische Entwicklung inzwischen so weit fortgeschritten, dass sich die von Excagol definierten Kriterien erfüllen lassen. Für die Hardware hat sich das Startup einen erfahrenen Industriepartner an Bord geholt. Die Eigenleistung von Excagol besteht vor allem in der Entwicklung der Anwendungssoftware. Nutzer können die Lokalisierung der Vene jederzeit per Tablet überprüfen, bei Bedarf aus gebührenden Abstand von zwei bis drei Metern. Die letzte Entscheidung fällt immer die medizinische Fachkraft, die das Gerät bedient, die Spritze setzt im Normalfall eine Art Roboterarm, der im entscheidenden Moment den Einstichswinkel abflacht, um die Vene zwar zu treffen, aber nicht auf der anderen Seite wieder zu durchbohren.
Erst kürzlich hat der erste Praxistest stattgefunden, mit einem künstlichen Arm und künstlichem Blut zwar und einer am Ende noch manuellen Punktion, aber das Grundprinzip hat funktioniert. Dabei ist das Team einige Monate schneller zu diesem Zwischenziel gelangt als ursprünglich gedacht. Durch die Corona-Krise hatte es mehr Zeit und diese bestmöglich genutzt. Eine automatisierte Setzung der Spritze könnte schon bis Ende des Jahres realisiert werden.
Bedarf ist da, Geld und Geduld sind gefragt
Wer sich in der Medizinbranche mit einem neuen Produkt durchsetzen möchte, muss dicke Bretter bohren und viel Geduld mitbringen. Der Bedarf für das Gerät von Excagol ist auf jeden Fall da. Ein Umfrage an 17 Kliniken (zehn internationale und sieben deutsche) hat ergeben, dass in jeder Schicht drei bis vier Fälle von schlechten Venen vorkommen können. Im Extremfall dauert es bis zu einer Stunde, bis die Blutentnahme endlich geklappt hat. Da ein Tag aus mehreren Schichten besteht und sich die Zahl nur auf jeweils eine Fachkraft bezieht, lässt sich leicht ausrechnen, wie häufig das Problem auftaucht.
Zielgruppe sind zunächst Uni-Kliniken, langfristig könnte Excagol in jeder Arztpraxis zu finden sein. Dafür braucht es einen moderaten Preis, aber sich darüber jetzt im Detail Gedanken zu machen wäre verfrüht. Zunächst muss das Gerät technisch ausgereift und patentiert sein, sich in Studien bewährt und eine Zulassung als Medizinprodukt erhalten haben. Das alles dauert, sodass ein Markteintritt erst für das Jahr 2024 zu erwarten ist. Momentan finanziert ein Business Angel das Startup, doch der Geldbedarf ist groß, weshalb die Suche nach weiteren Investoren begonnen hat. Die sind bekanntlich oft noch schwerer zu finden als Venen – bleibt zu hoffen, dass Excagol auch dafür die richtige Technik entwickelt.