Die Initiative REDEZEIT FÜR DICH hört zu
„Wir müssen reden!“ – diese Forderung hört man immer wieder bei den unterschiedlichsten Anlässen. Fast noch wichtiger ist aber dieser Satz: „Wir müssen mehr zuhören.“ Genau das tun die Mitglieder der Initiative REDEZEIT FÜR DICH, der inzwischen über 250 Coaches angehören. Gewachsen ist die Idee schon lange vor der Corona-Krise.
Ende 2014 entstand in San Francisco eine Bewegung mit dem Namen Sidewalk Talk. Deren Mitglieder stellen irgendwo auf dem Bürgersteig (sidewalk) Klappstühle auf und machen zufällig vorbeikommenden Passanten das Angebot ihnen zuzuhören. Gedacht ist das als Projekt gegen die Vereinsamung, wobei es keine festgelegten Themen gibt. Alle können über das sprechen, was ihnen gerade auf dem Herzen liegt.
Vom Bürgersteig ins Internet
Inzwischen gibt es Sidwalk Talk in über 50 Städten in 15 Ländern. Das müsste doch auch in Hamburg funktionieren, dachten sich Ende 2019 Ute von Chamier, Annika Reiß, Christian Stegemann und Florian Schleinig, die alle auf die eine oder andere Weise Erfahrungen in Coaching und Beratung gesammelt haben. Florian ist für Hamburg Marketing auch publizistisch tätig und daher so etwas wie der Sprecher des Quartetts.
Bevor es zur offiziellen Gründung eines Hamburger Ortsverbands von Sidewalk Talk kommen konnte, schlug die Corona-Krise zu. Plötzlich verlagerte sich einer großer Teil der Kommunikation ins Internet und Einsamkeit und der Bedarf nach Gesprächen stiegen gleichermaßen. So entstand in kürzester Zeit die Initiative REDEZEIT FÜR DICH mit dem Hashtag #virtualsupporttalks. Mitte März 2020 fiel in einer Videokonferenz der vier, die sich bisher nur ein einziges Mal persönlich getroffen haben, die Entscheidung, mit dem Projekt zu starten.
REDEZEIT FÜR DICH läuft über alle gängigen Kanäle
Innerhalb von zwei Wochen konnten sie über 150 Coaches dafür gewinnen, allesamt Expertinnen und Experten, die nicht nur dafür ausgebildet sind zu sprechen, sondern eben auch zuzuhören. Inzwischen sind es bereits mehr als 250. Wer sich etwas von der Seele reden möchte, kann über die Webseite von REDEZEIT FÜR DICH Kontakt aufnehmen, einen Termin vereinbaren und den bevorzugten Kommunikationskanal wählen: Zoom, Skype, Whatsapp und was die Digitalwelt sonst noch so anzubieten hat. Das Prinzip ähnelt der einer Telefonseelsorge, wobei wirklich dringende und ernste Fälle nicht behandelt werden. Dann vermitteln die Coaches, die alle ihre speziellen Kompetenzen haben und diese auf der Webseite auch angeben, an die geeigneten Stellen.
Über die sozialen Medien erlangte REDEZEIT FÜR DICH schnell eine gewisse Bekanntheit, sogar ZEIT online berichtete. Die Verbreitung reichte von Beginn an weit über die Stadtgrenzen Hamburgs hinaus. Neben dem Angebot für den deutschsprachigen Raum gibt es inzwischen auch eine englische Version und die Möglichkeit, sein Anliegen auf Französisch, Hebräisch, Türkisch, Polnisch und einer Reihe weiterer Sprachen vorzubringen. Über 2.000 Gespräche dürften mittlerweile stattgefunden haben.
Das Angebot ist selbstverständlich kostenlos
Alle Beteiligten agieren pro bono, es fließt also kein Geld, und für die Zukunft ist auch keine Kommerzialisierung geplant. Namhafte Unternehmen wie OTTO, SAP und XING gehören zu den Unterstützern und bieten ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die mit der Corona-Situation fertig werden müssen, den Service an. Inzwischen hat sich die Lage bekanntlich etwas entspannt und einige Themen rund um Covid-19, etwa zu Fragen der Gesundheit, stehen nicht mehr ganz oben auf der Sorgenliste. Gesprächsbedarf, beziehungsweise der Bedarf gehört zu werden, besteht aber nach wie vor und wird immer bestehen.
Dementsprechend ist REDEZEIT FÜR DICH keine Initiative, die mit dem eventuellen Ende der Corona-Krise wieder verschwinden wird. Der Aufbau der Webseite ist noch längst nicht abgeschlossen, beispielsweise bei der Suchfunktion für den geeigneten Ansprechpartner. In Planung ist zudem ein Barcamp und ein erweitertes Community Management zur besseren Vernetzung der Coaches. Auch Profis brauchen schließlich manchmal jemandem, der ihnen zuhört.
Fotos: REDEZEIT FÜR DICH