Das Hamburger Startup-Ökosystem sorgt für lebhafte Diskussion
Hamburg sieht sich gern als Startup-Metropole, aber wie sehen das die Gründerinnen und Gründerinnen in der Hansestadt? Wo liegen die Stärken und wo besteht Nachholbedarf? Diese und eine Reihe weiterer spannender Fragen standen auf der Tagesordnung bei der Vorstellung der Daten des 7. Deutschen Startup Monitors mit dem Fokus auf Hamburg. Die anschließende Diskussion machte deutlich: Es ist nicht alles Gold, was glänzt, aber das hiesige Startup-Ökosystem ist quicklebendig.
Zu Beginn ein paar Informationen zur Diskussionsgrundlage: Der Bundesverband Deutsche Startups hat 2019 zum siebten Mal eine Onlinebefragung unter Startups durchgeführt. Bundesweit gab es 1.933 Teilnehmer, davon 141 aus Hamburg. Die Stichprobe kann nicht hundertprozentig repräsentativ sein, da niemand genau weiß, wie viele Startups es in Deutschland tatsächlich gibt. Trotzdem hat sich im Laufe der Jahre herausgestellt, dass die Untersuchung ein glaubwürdiges Stimmungsbild abliefert. Die auf den Standort Hamburg herunter gebrochenen Resultate wurden am 4. März bei PwC vorgestellt. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ist auch Mitinitiator der Studie. Als weiterer Gastgeber präsentierte sich Hamburg Invest.
Nun aber zu den Ergebnissen! „Hamburger Startups haben gute Laune“ lautete die Überschrift der Präsentation, kommentiert von Florian Nöll, Head of Digital Ecosystems & Director NextLevel von PwC sowie Gründer des Bundesverbands Deutsche Startups e. V., und Niklas Wilke, Partner bei PwC. Die gute Laune spiegelt sich auf jeden Fall bei den Umsatzerwartungen wider. Schon für das Befragungsjahr 2019 verzeichneten die Hamburger Startups im Schnitt einen überdurchschnittlichen Umsatz von 2,4 Millionen Euro (bundesweit: 2 Millionen). Bemerkenswert der Optimismus für 2020: Hier liegen die Erwartungen bei durchschnittlich 4,4 Millionen Euro (bundesweit: 3,5 Millionen). Ob die Antworten in Zeiten des Coronavirus auch so ausfallen würden, steht auf einem anderen Blatt.
Business Angel und Kooperationen helfen Hamburger Startups weiter
Geld ist ja sowieso immer ein Thema bei Startups, und da scheinen die Hamburger gar nicht so schlecht aufgestellt zu sein. 74 % der Befragten haben externes Kapital aufgenommen, während es bundesweit nur 55 % sind. Auffällig ist hierbei die starke Präsenz von Business Angels. 43 % der Hamburger Startups aus der Studie werden von solchen unterstützt, bundesweit sind es nur 23 %. Wo immer das Geld auch herkommt, am häufigsten investieren die Hamburger Gründerinnen und Gründer es in neue Mitarbeiter (79 %), auch wenn das nicht immer so einfach ist, aber dazu kommen wir später. An zweiter Stelle steht die Investition in die Verbesserung der bestehenden Produkte oder Dienstleistungen mit 67 % (bundesweit: 61 %).
Hamburg definiert sich traditionell als Tor zur Welt, da überrascht es kaum, dass 79 % der hier ansässigen Startups eine Internationalisierung anstreben (bundesweit: 66 %). Aber man muss nicht nur in Ferne schweifen, um geschäftlich voranzukommen, auch Kooperationen im eigenen Land sind ein wichtiger Motor. Die Hamburger Startups sind da überdurchschnittlich gut aufgestellt, sowohl, was Kollaborationen mit etablierten Unternehmen (77 % zu 67 % bundesweit), als auch mit anderen Startups (63 % zu 57 %) angeht. Das spricht für ein funktionierendes Ökosystem. Jede Menge weitere interessante Ergebnisse findet ihr hier.
Viele gute Nachrichten also, aber dennoch bewerten nur 54 % der Befragten den Startup-Standort Hamburg als gut oder sehr gut (Bundesdurchschnitt: 58 %). Woran das liegen könnte, wurde in der anschließenden Diskussionsrunde deutlich. Hier legte vor allem Gunnar Froh, Gründer des Erfolgsstartups Wunder Mobility, den Finger in manche Wunde. Der eher provinziell anmutende Hamburger Flughafen ist da noch das geringste Problem. Berlin bekleckert sich in dieser Hinsicht bekanntlich auch nicht mit Ruhm. Als gravierendstes Problem nannte Gunnar den Mangel an Fachkräften. Die meisten seiner Mitarbeiter rekrutiert er aus dem Ausland, vor allem einheimische Programmierer sind eine absolute Ausnahme. Aus dem Publikum kam die Bestätigung von Daniel Barke, einem der Gründer von WorkGenius. Sein Unternehmen hat einen weiteren Sitz in New York und dort, ganz anders als hier, keine Mühe, geeignetes Personal zu finden.
Dringend gesucht: Fachkräfte, mehr Tech, mehr Gründergeist und finanzstarke Investoren
Außerhalb von Berlin dürfte Mitarbeitersuche fast überall schwierig sein, aber Hamburg hat da noch ein paar spezifische Nachteile. Auffällig ist der geringe Anteil von MINT-Abschlüssen unter den Gründerinnen und Gründern. In Hamburg liegt er nur 26 %, bundesweit bei 43 %. Unter den Top 10 der Gründerhochschulen, die häufig einen Technikschwerpunkt haben, befindet sich keine aus der Hansestadt. Lilly Wittrock, die kürzlich ihr BWL-Studium beendet hat und eine der Organisatorinnen des erfolgreichen Events ChefTreff ist, bestätigte, dass an der Universität Hamburg Entrepreneurship praktisch null gelebt wird.
Vielleicht ruht sich Hamburg zu sehr auf seinen erfolgreichen Traditionen aus. Die Logistikbranche ist auch bei den Startups überdurchschnittlich stark vertreten, dem Hafen sei Dank. Davon allein kann aber die Zukunft nicht abhängen. Hinzu kommt, dass Hamburg zwar eine reiche Stadt ist, das üppig vorhandene Geld der Privatinvestoren aber überwiegend in Immobilien gesteckt wird und nicht in innovative Jungunternehmen.
Dabei herrscht in Hamburg alles andere als Stillstand, hob Veronika Reichboth, Leiterin der Startup-Unit von Hamburg Invest, hervor. Beispielhaft nannte sie die stetig wachsende Zahl der Coworking Spaces. Angefangen hat es 2010 mit dem betahaus, inzwischen gibt es mehr als 70. In den letzten fünf Jahren sind zudem eine ganze Reihe von Acceleratoren und Förderprogrammen entstanden und auch die IFB Innovationsstarter GmbH hat ihr Angebot mehrfach erweitert. PwC trägt mit seinem Programm Scale|Nord ebenfalls seinen Anteil bei. Die Unterstützung für Startups in der Frühphase funktioniert also relativ gut, der sagenumwobene 100-Millionen-Fonds für schon fortgeschrittenere Startups mit erhöhtem Kapitalbedarf lässt allerdings immer noch auf sich warten.
Unser Appell an erfolgreiche Gründerinnen und Gründer: Bringt euch noch stärker in das Startup-Ökosystem ein!
Es gibt also noch einiges zu tun, darüber waren sich alle einig. Sanja Stankovic, eine der Gründerinnen von Hamburg Startups, forderte schon etablierte und finanziell gut aufgestellte Gründerinnen und Gründer auf, sich noch mehr einzubringen und den Nachwuchs stärker zu unterstützen. Beispielsweise in Berlin würde das schon häufiger gestehen. Die erste Resonanz auf diesen Vorschlag war positiv und wir werden da auf jeden Fall dranbleiben. Wie groß das Interesse an einem blühenden Startup-Ökosystem Hamburg grundsätzlich ist, belegte die hohe Besucherzahl. Sie übertraf, gerade in Hinblick auf die Coronakrise, die Erwartung der Veranstalter bei weitem. Wenn dann noch mehr das Gemeinsame als das Trennende gesucht wird, gepaart mit einer gesunden Mischung aus Optimismus und Selbstkritik, sollte die Zukunft des Startup-Standorts Hamburg durchaus positiv aussehen.