Space Walk geht neue Wege in der Virtual Reality
Eines der Hauptprobleme bei Virtual Reality (VR) ist, dass reale und virtuelle Bewegungen selten übereinstimmen. Die Folge: „Motion Sickness“, die sich anfühlt wie Seekrankheit. Das Hamburger Projekt Space Walk hat nun eine Technologie entwickelt, die diesen negativen Effekt deutlich verringert.
Dennis Briddigkeit und Eike Langbehn kennen sich schon seit ihrer Schulzeit im beschaulichen Brake, gelegen zwischen Bremen und Bremerhaven. Entsprechend alt ist auch der Wunsch, irgendwann einmal zusammen etwas auf die Beine zu stellen. Ein erster Schritt war da 2006 die Gründung eines E-Sport-Vereins, den es immer noch gibt. Nach dem Abitur trennten sich allerdings zunächst ihre Wege. Unter anderem studierte Dennis Journalismus und arbeitete im Marketing für Facebook mit dem Fokus auf demVR-System Oculus Rift.
Eine Doktorarbeit gibt den Anstoß
Eike war zeitweise für ein Unternehmen tätig, das Spiele für das Handy entwickelt, und hat sich ansonsten ganz auf sein Informatikstudium konzentriert. Das gipfelte in einer Doktorarbeit mit folgendem opulentem Titel: „Walking in Virtual Reality: Perceptually-inspired Interaction Techniques for Locomotion in Immersive Environments“. Wer sich dafür im Detail interessiert, kann sie hier nachlesen. Es genügt aber schon der Titel „Walking in Virtual Reality“, um zu erahnen, um was es in der Dissertation geht.
Eine entscheidende Herausforderung bei der Anwendung von Virtual Reality, vor allem bei Spielen, ist die Diskrepanz zwischen realer und virtueller Bewegung. Während in der Spielsituation beispielsweise ein langer Weg durch ein Haus mit vielen Räumen zurückgelegt wird, bewegt sich der Akteur in Wahrheit kaum von der Stelle. Je größer die Diskrepanz ist und je schneller die virtuellen Bewegungen, desto höher wird die Wahrscheinlichkeit, dass es zu „Motion Sickness“ kommt. Jeder, der das schon einmal erlebt hat, weiß, wie sehr einem diese Art der Übelkeit den Spaß an VR verderben kann.
Die Ergebnisse aus Eikes vierjähriger Forschungsarbeit bieten daher nicht nur Theoretikern wertvolle Erkenntnisse, sondern lassen sich auch hervorragend in die Praxis umsetzen. Und da kommen dann Dennis und der Traum vom eigenen gemeinsamen Unternehmen wieder ins Spiel. Anfang 2019 beschließen die beiden ein Projekt voranzutreiben, das momentan noch den Arbeitstitel Space Walk trägt. Dabei greifen sie auf eine Reihe von kleinen Manipulationen zurück, die sie unter dem Begriff „Redirected Walking“ zusammenfassen und die in Kombination einen großen Unterschied machen.
Virtuelle Kurven und unmögliche Räume
Beispielsweise ist es möglich, Wege in der virtuellen Welt länger erscheinen zu lassen, als sie es in der Realität sind, und zwar um bis zu 30 %. Wichtig bei dieser wie bei allen anderen Maßnahmen ist es, gewisse Wahrnehmungsschwellen auszureizen, aber nicht zu überschreiten. Ähnlich verhält es sich bei der Gehrichtung; eine Gerade lässt sich in eine leichte Kurve umdeuten und umgekehrt, oder eine reale Gehkurve virtuell verstärken oder abschwächen, je nachdem, was in einer Spielsituation sinnvoll ist. Dieses Prinzip funktioniert auch bei der Drehung des Kopfes. „Unmögliche Räume“ sind ein weiterer Trick. Hier haben die Nutzer den Eindruck, sie würden sich durch mehrere Räume bewegen, obwohl sie real immer in demselben Raum bleiben. Da kann dann auch ein und derselbe Tisch nacheinander mehrere Funktionen haben.
Eine Methode, die noch in der Entwicklung steckt, beruht auf der Tatsache, dass beim Blinzeln die Augen für einen Sekundenbruchteil geschlossen sind. Diesen kurzen Moment nutzt die Technologie, um die Position der Nutzer in der Spielsituation ein bisschen zu verändern, ohne dass sie es merken. All diese Effekte lassen sich vor allem bei Spielen gut auskosten. Da trifft es sich bestens, dass mit Hannah Paulmann eine echte Game-Expertin inzwischen drittes Teammitglied ist. Sie hat das VR-Spiel Elevator…to the Moon! mitentwickelt.
Space Walk hat schon manches erreicht und noch viel mehr vor
Erste Erfolge hat das Team von Space Walk auch schon aufzuweisen. Das Inkubator-Programm MEDIA LIFT von nexftMedia.Hamburg haben die drei im Oktober 2019 abgeschlossen. Wenige Wochen später folgte der Sieg beim nextReality.Context in der Kategorie „Best Innovation“. Die Ziele für 2020 sind auch schon gesteckt: Die Gründung einer Kapitalgesellschaft, die Veröffentlichung eines eigenen Spiels und die Fertigstellung eines Prototyps für den Testbetrieb gehören dazu. Interesse dürfte weltweit vorhanden sein, vor allem Ostasien ist im Bereich VR-Gaming weit voraus. In Sachen Forschung ist dagegen Hamburg spitze. Sogar aus Japan sind schon Interessenten angereist, um sich auf den neuesten Stand zu bringen. Ganz real.