Pickawood macht seine Kunden zu Möbeldesignern
Möbel nach Maß, am Computer selbst zusammengestellt – mit diesem Geschäftsmodell hat das Hamburger Startup Pickawood in den letzten sieben Jahren schon über 18 Millionen Euro Umsatz erzielt. Möglich macht das ein Online-Konfigurator, der ständig verbessert wird. Wir waren zu Gast im ganz realen Showroom Pickawoods am Rödingsmarkt.
2012 war der Onlinemarketing-Experte Tim Ehling auf der Suche nach einer neuen Regalwand. Mit der üblichen Katalogware war er nicht zufrieden, also dachte er an eine individuelle Sonderanfertigung. Durch seine polnische Frau erfuhr er, dass in ihrem Heimatland eine solche sehr viel billiger zu bekommen sei als in Deutschland. Bei der Qualität musste er dabei keine Abstriche machen. Aus dieser persönlichen Erfahrung entwickelte er eine Geschäftsidee, die zur Gründung des Startups Pickawood führte. Als Maskottchen wählte er einen Specht (lateinischer Familienname: Picidae).
2013 kam als zusätzlicher Geschäftsführer mit Henry Fleischer ein weiterer Profi aus den Bereichen E-Commerce und Marketing hinzu. Das Unternehmen, das sie seitdem aufgebaut haben, bietet Möbel nach Maß. Im Mittelpunkt des Angebots steht dabei ein Konfigurator, mit dessen Hilfe sich die Kunden Regale, Schränke, Sideboards und Tische nach eigenen Bedürfnissen zusammenstellen können. An der aktuellen Konfiguratorversion hat ein externes Softwareentwicklerteam rund ein Jahr gearbeitet, aber eigentlich ist das ein ständiger Prozess, denn wirklich fertig ist so ein Online-Tool nie.
Der Konfigurator muss zugleich möglichst einfach und vielseitig sein
Das Kunststück besteht zunächst darin, die Anwendung so einfach wie möglich zu machen. Regale kauft man schließlich nicht jede Woche, Kunden haben deshalb in der Regel bei der Konfiguratornutzung keinerlei Vorkenntnisse. Andererseits muss das Angebot so breit wie möglich sein, um den unterschiedlichsten Wünschen entsprechen zu können. So stehen beispielsweise elf Massivholzarten zur Auswahl, aber auch Span- und Multiplexplatten oder mitteldichte Faserplatten (MDF), die je nach Art der Möbel ihre besonderen Vorteile haben. Wer sein Holz lieber lackiert haben möchte, kann aus über 200 Farben wählen. Die Maße etwa bei der Höhe, Breite und Tiefe der Regale sind sowieso völlig individuell. Von den Aufträgen der inzwischen über 25.000 Kunden glich keiner exakt dem anderen. Zumindest das beliebteste Material ist ein Klassiker: Eiche massiv.
Wer sich von der Fülle an Möglichkeiten, die der Konfigurator bietet, überfordert fühlt, kann sich bei Pickawood Hilfe holen. Das geht telefonisch, per Mail oder im Hamburger Showroom am Rödingsmarkt 20. Nach Prüfung der Auftragsdaten gehen diese dann an einen der 13 Tischler- und Schreinerbetriebe in Polen, mit denen das Unternehmen mittlerweile fast exklusiv zusammenarbeitet. Die Lieferzeit beträgt in der Regel sieben bis elf Wochen, nur bei besonders aufwendigen und ausgefallenen Aufträgen kann es etwas länger dauern. Preislich verspricht Pickawood zwischen 30 und 50 Prozent unter dem zu bleiben, was ein deutscher Tischler üblicherweise verlangen würde.
Do it yourself oder Monteur – je nach Wunsch
Wenn die Möbel dann in ihre Einzelteile zerlegt bei den Kunden ankommen, haben diese Möglichkeit, den Aufbauservice von Pickawood in Anspruch zu nehmen. 30 freiberufliche Monteure stehen dafür zur Verfügung. Falls ein solcher nicht in der Nähe greifbar ist, übernimmt notfalls auch der Versender DHL diese Leistung. Das ist allerdings nicht unbedingt zu empfehlen. Die größte Sorge vieler Kunden ist sich vermessen zu haben. Das geschieht jedoch ziemlich selten, und sollte mal ein Teil nicht richtig passen, kann es problemlos nachbestellt werden. Ärger hat Pickawood gelegentlich mit Schäden, die vor allem beim Umladen passieren. Deshalb ist das Ziel, den Versand so direkt wie möglich zu organisieren.
Gestartet ist Pickawood ohne Fremdkapital. Zwei Crowdfundingkampagnen brachten 2015 und 2018 insgesamt fast eine Million Euro ein. Außerdem sind in überschaubarem Umfang Investoren in dem Unternehmen engagiert. Dem gegenüber stehen mehr als 18 Millionen Euro Umsatz seit Gründung; für 2019 werden sieben Millionen angestrebt. Die Kunden kommen längst nicht mehr nur aus Deutschland, insgesamt 16 europäische Länder können beliefert werden. Die Franzosen beispielsweise sind besonders kreativ bei der Gestaltung ihrer Möbel, dafür haben sie dann auch mehr Probleme mit der Montage.
23 Mitarbeiter halten zurzeit das Geschäft am Laufen, gut die Hälfte davon ist im Kundenservice tätig. Gelernte Handwerker sucht man bei dagegen vergeblich, die Herstellung wie auch die Logistik übernehmen komplett externe Dienstleister. Das macht noch einmal deutlich, was Pickawood letztlich ist: kein klassisches Möbelhaus, sondern ein modernes Digitalunternehmen.