cirplus digitalisiert den Handel mit recyceltem Plastik
Plastikmüll ist eines der drängendsten Umweltprobleme weltweit. Ein Lösungsansatz ist die Wiederverwendung von Altplastik als Recyclat, als Rohstoff für die Neuproduktion. Den Handel mit Recyclaten über einem Onlinemarkplatz zu digitalisieren ist das Ziel des Startups cirplus. Die Idee dazu kam dem Gründer Christian Schiller nach einem schockierenden Urlaubserlebnis.
Als das französische Startup BlaBlaCar im April 2013 in Deutschland seinen Betrieb aufnahm, war Christian Schiller hierzulande der erste Angestellte. In den kommenden vier Jahren hatte er maßgeblichen Anteil am Aufbau der deutschen Version der Online-Mitfahrzentrale, danach erfüllte er sich eine lange gehegten Lebenstraum. Im Juli 2017 ging er auf einjährige Reise um die Welt und besuchte insgesamt 19 Länder. Einer der vielen Höhepunkte war im Januar 2018 ein Segeltörn von Kolumbien nach Panama.
Die Beine im Meer voller Müll waren der Auslöser
Einmal ließ Christian während der Fahrt entspannt die Füße ins Wasser baumeln. Da spürte er plötzlich, wie etwas an seine Beine stieß. Im ersten Moment dachte er an einen Hai oder ein anderes Tier. Die Wahrheit war zwar weniger gefährlich, aber dafür umso schockierender. Das Boot war in einem Teppich aus Plastikmüll geraten, in dem sich sogar das Schiffsruder verfing. Natürlich hatte er schon vorher von dem Problem der Vermüllung der Meere gehört, doch dieses persönliche Erlebnis führte ihm die ganze Dramatik erst so richtig vor Augen und zu dem Entschluss, in Zukunft seinen Teil zur Lösung dieses Problems beizutragen.
Im Juni 2018 zurück in Deutschland, bewarb er sich für das Programm von Entrepreneur First (EF). Dieser Company Builder mit Hauptsitz in London und seit vergangenem Jahr einer Filiale in Berlin ist ganz auf Gründungspersönlichkeiten zugeschnitten. Wer dort dabei sein möchte, muss noch kein Startup, ja noch nicht einmal eine Geschäftsidee haben. Entrepreneur First sucht vielmehr unternehmerische Talente, um aus ihnen schlagkräftige Teams zu bilden. Eines der Talente, die es in die erste Programmrunde ab Oktober 2018 geschafft hatten, ist Volkan Bilici. Volkan bringt über zehn Jahre Erfahrung als IT-Entwickler mit, kennt sich mit der Blockchain aus und hat sogar schon in der kunststoffverarbeitenden Industrie gearbeitet. Mit anderen Worten: Er entpuppte sich als idealer Gründungspartner für Christian.
Im Januar erreichten sie mit ihrem frisch gegründeten Startup cirplus die zweite Phase von Entrepreur First. Für zehn Prozent ihrer Unternehmensanteile erhielten sie 80.000 Britische Pfund. Zu den bei EF engagierten Investoren gehören LinkedIn-Gründer Reid Hoffman, Greylock Partners, Lakestar und einige andere. Die letzten Wochen war Christian in halb Europa unterwegs, um weitere Partner von seiner Geschäftsidee zu überzeugen und eine Serie A-Finanzierung auf den Weg zu bringen. Die Erfolgschancen stehen nicht schlecht, denn cirplus bedient einen Markt, dessen Wachstum quasi per Gesetz verordnet worden ist.
Das neue Verpackungsgesetzt wird dem Recyclatmarkt einen Schub verpassen
Das am 1. Januar 2019 in Kraft getretene Verpackungsgesetz verlangt für Kunststoffe eine Recyclingquote von 58,5 %, ab 1. Januar 2021 sogar von 63 %. Wobei Recyling ein relativ dehnbarer Begriff ist, selbst Müllexporte in ferne Länder fielen bisher darunter. Diese Praxis gerät allerdings zunehmend in die Kritik, China hat den Import von Plastik aus Deutschland schon vor einiger Zeit gestoppt. Ideal ist dagegen die Wiederverwendung von Kunststoffabfall als Recyclat. Das ist ein aus Abfällen recycelter Rohstoff für die Plastikherstellung. Bisher liegt der Anteil von Recyclaten in der Produktion um die 10 %, der große Rest ist sogenanntes Virgin Plastic.
Dieses Verhältnis wird sich in Zukunft definitiv ändern und den Handel mit Recyclaten zu einem lukrativen und schnell wachsenden Markt machen. Bei allen Bemühungen, Verpackungsmüll ganz zu vermeiden und alternative Materialien zu entwickeln, bleibt die Plastikproduktion vorerst ein Milliardenbusiness. Wie in vielen anderen Branchen auch steht hier die Digitalisierung noch ziemlich am Anfang. Eine der wichtigsten Informationsquellen ist die Webseite plasticker, die allerdings als Marktplatz kaum geeignet ist. Diese Lücke schließt jetzt cirplus.
Bereits vor dem Start vor wenigen Wochen hatten sich 43 Unternehmen auf die Warteliste von cirplus setzten lassen. Das Prinzip ist denkbar einfach. Wer ein bestimmtes Recyclat sucht, gibt die Kunststoffart und die gewünschte Menge in eine Suchmaske ein und überlässt die Suche nach dem passenden Anbieter dann cirplus. Momentan geschieht das manuell und gebührenfrei, das Startup befindet sich noch in einer Testphase. Später soll ein Algorithmus den Matchingprozess automatisieren, dann wird auch eine Transaktionsgebühr fällig.
Recyclate sind Thema beim Food Innovation Camp
Das Geschäftsmodell an sich kann eigentlich nicht scheitern, die Frage ist nur, wer alles in den boomenden Recyclatmarkt einsteigen wird. Zu den Kandidaten gehören sicherlich auch konventionelle Plastikhersteller, die sich lieber selbst Konkurrenz machen, als anderen das Feld zu überlassen. Deshalb ist es für cirplus jetzt wichtig, sich schnell einen Namen zu machen und in der Branche Fuß zu fassen. Eine Möglichkeit, das Startup besser kennenzulernen, bietet das Food Innovation Camp am 20. Mai. Christian wird dort an einem Panel teilnehmen, das sich unter anderem auch mit den technischen Herausforderungen beschäftigt, die die Recylatherstellung mit sich bringt. Über das gesamte Konferenzprogramm könnt ihr euch hier informieren und hier eure Tickets sichern.