Neuro Flash: mit künstlicher Intelligenz zum richtigen Slogan
Warum „köstlich“ besser ankommt als „gesund“ und was ein Blumenladen einem Schuhgeschäft voraus hat – Jonathan Mall und sein Team vom Marktforschungs-Startup Neuro-Flash wissen es. Und wir haben es uns erklären lassen.
Als Jonathan Mall Ende 2015 einen Platz im Microsoft Accelerator Berlin ergattern konnte, hieß sein Startup Recommend.to. Das wollte neue, digitale Wege im Empfehlungsmarketing gehen und hatte auch schon einen vielversprechenden Start hingelegt. In Berlin folgte dann allerdings ein kompletter Richtungswechsel, bedingt auch den Ausstieg des damaligen CTOs aus dem jungen Unternehmen. Das Ergebnis dieses gründlichen Pivots nennt sich Neuro Flash und betreibt Marktforschung des 21. Jahrhunderts.
Die Frage, wie Menschen denken und auf bestimmte Reize und Wörter reagieren, hat den promovierten Neuropsychologen Jonathan schon immer fasziniert. Die Antworten, die er bei seinen Studien gefunden hat, lassen sich auch im Privatleben nutzen. So steigen für Männer die Chancen auf ein Date signifikant, wenn sie eine Frau vor einem Blumenladen statt vor einem Schuhgeschäft ansprechen. Blumen sind eben romantischer als Schuhe.
Die richtigen Wörter entscheiden über Erfolg von Werbung
Neuro Flash ist allerdings keine Plattform für Kontaktsuchende, sondern berät Hersteller von Konsumgütern bei ihren Marketingaktivitäten. Von Beginn an hat das Startup Umsatz gemacht, der erste Auftraggeber kam von selbst auf Neuro Flash zu. Die Akquise weiterer Kunden war da schon schwieriger. Dabei ist die potenzielle Zielgruppe groß, schließlich möchten alle Unternehmen wissen, wie sie Kunden am geschicktesten von ihren Produkten und Dienstleistungen überzeugen können.
Die richtigen Wörter und Slogans spielen dabei eine wesentliche Rolle. Viele Werbetexter verlassen sich dabei zumindest teilweise auf ihr Bauchgefühl, einiges ist durch Marktforschung abgesichert. Trotzdem treten auch erfahrende Unternehmen immer wieder in vermeidbare Fettnäpfchen. Nivea musste sich beispielsweise für die Botschaft „White is purity“ für ein Deo in diesem Jahr Rassismusvorwürfe gefallen lassen. Offensichtlich sind viele Begriffe je nach Zusammenhang unterschiedlich besetzt und damit missverständlich.
Das gilt sogar für eigentlich unmissverständliche Wörter wie „gesund“. Wer hat schon etwas gegen gesunde Lebensmittel? Sicherlich niemand, doch heißt das noch lange nicht, dass solche auch bevorzugt gekauft werden. „Gesund“ klingt sehr vernünftig und damit auch ein bisschen langweilig. Genuss und Spaß dagegen kommen deutlich besser an, deshalb empfiehlt es sich, beispielsweise vegetarische Produkte mit entsprechenden Attributen zu verkaufen. Der Mensch will lieber bespaßt als belehrt werden, weshalb Begriffe wie „fabelhaft“ und „köstlich“ besonders gut funktionieren.
Bei Neuro-Flash kommt jetzt auch KI zum Einsatz
Diese Wörter wurden aus Milliarden von Texten ermittelt, nachdem sie mit neuronalen Netzwerken auf ihre ‚Köstlichkeit‘ bewertet wurden. Training der neuronalen Netzwerke geschah unter anderem dank über 60.000 Teilnehmern an Onlinebefragungen, die Neuro Flash über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren ausgeführt hat. Basierend auf diesen Erkenntnissen wurde die Software zur Auswertung immer weiter entwickelt. Die Idee dazu entstand schon vor sechs Jahren, nach zwei Jahren intensiver Entwicklung sorgt mittlerweile eine weitere Komponente für noch genauere Resultate: künstliche Intelligenz (KI).
Durch den Einsatz von KI ist es nun nicht mehr erforderlich, aufwändige Befragungen durchzuführen. Trotzdem kann Neuro Flash auf mehr Daten zurückgreifen als herkömmliche Mitbewerber, wobei bereits vorliegenden Antworten von echten Menschen nach wie vor genutzt werden. Die Ermittlung, welche Schlagwörter und Formulierungen beim Konsumenten die positivsten Reaktionen hervorrufen, ist in vielen Sprachen möglich. Das liegt auch daran, dass sich das Startup von Anfang an international ausgerichtet und für globale Marken gearbeitet hat.
Team und Kunden sind international
Entsprechend bunt gemischt ist das Team von Neuro Flash. Die sechs Hauptakteure verteilen sich auf sechs Standorte: Berlin, London, Groningen, Malmö, Osaka und natürlich Hamburg. Dazu kommen sieben weitere Teilzeitkräfte. Kein Wunder, dass es kein Teamfoto mit kompletter Besetzung gibt; bisher waren einfach noch nie alle gleichzeitig am selben Ort.
Für 2017 sind sechsstellige Umsätze angepeilt. Da ist garantiert noch mehr drin, zumal sich die KI von Neuro Flash auch für Bereiche jenseits der reinen Werbung eignet. Am 27. Oktober ist das Startup zu Gast beim Innenministerium, um dort seine Anmerkungen zum Thema E-Government zur Diskussion zu stellen. Bei aller Wissenschaftlichkeit und technologischer Raffinesse hat Jonathan zum Schluss noch einen ganz einfachen Tipp, wenn es um Kommunikation geht: Man muss einander „wirklich zuhören.“
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