Pendula – wie ein Startup von einer Gesetzesnovelle profitiert
Wenn ein Gesetz mit einem Namen wie „Gewerbeabfallverordnung“ verabschiedet wird, ist mit allgemeiner Begeisterung nicht unbedingt zu rechnen. Bei dem Hamburger Startup Pendula war das anders, hier sorgte eine Gesetzesnovelle für den notwendigen Kick, um das Geschäft voranzutreiben. Bisheriger Höhepunkt ist der Launch einer neuen App diese Woche.
Begonnen hat alles beim Hamburger Startup Weekend 2015. Damals stellte Gary Lewis seine schon ziemlich ausgereifte Idee von einer Recycling-Plattform vor, konnte einige Teilnehmer dafür begeistern und in sein Team holen und am Ende den Wettbewerb gewinnen. Leider ist nach einem rauschhaften Veranstaltungswochenende oft schnell die Luft raus, doch bei Pendula, so der Name des neu gegründeten Startups, war das anders.
Das ursprüngliche Konzept mussten Gary und sein bis heute im Unternehmen aktiver CTO Pascal Alich allerdings den Realitäten anpassen. Der digitale Marktplatz, auf dem sich Unternehmen der Abfallentsorgung präsentieren konnten, stieß zwar zunächst auf reges Interesse. Trotzdem mochten sich am Ende die Entsorger nicht zu einer Teilnahme entschließen. Der Markt ist hart umkämpft und die Margen sind niedrig, da legt niemand gern alle Karten auf den Tisch.
Daher wurde es Ende 2015 Zeit für den ersten Richtungswechsel bei Pendula. In Sachen Digitalisierung gibt es schließlich noch viel zu tun in der Recyclingbranche. Über 90 % aller Arbeitsabläufe finden nach wie vor offline satt. Beispielsweise bekommt ein großes Entsorgungsunternehmen bis zu 60.000 Faxe im Monat, die von elf Mitarbeitern per Hand in dessen System eingegeben werden müssen. Dafür sollte sich doch eine einfach zu handhabende Softwarelösung finden lassen, war der Ansatz von Pendula.
Nach zwei Pivots bringt eine Gesetzesnovelle den Durchbruch
Es folgten ein über sechs Monate laufendes Pilotprojekt und weitere Gespräche mit potenziellen Kunden. Wieder war die Resonanz weitgehend positiv, und wieder das Endergebnis ernüchternd.Die angesprochenen Entsorger konnten sich nicht durchringen den ersten nötigen Schritt zum digitalen Wandel zu unternehmen.
Also musste ein weiterer Pivot her. Aufgeben war keine Option, dafür hatte Pendula inzwischen zu viel Know-how angesammelt, und Digitalisierungsbedarf war zweifellos reichlich vorhanden. Als neue Zielgruppe gerieten jetzt die Abfallerzeuger ins Visier. Die bilden natürlich keine eigene Branche, vielmehr sind das alle Unternehmen, bei denen Müll anfällt – das sind wirklich fast alle. Und die müssen sich seit Kurzem mit einer neuen Gewerbeabfallverordnung auseinandersetzen.
Verabschiedet wurde die Novelle im April 2017, in Kraft trat sie bereits am 1. August. Da blieb kaum Zeit, sich darauf einzustellen. Ärgerlich für die Betroffenen, ein Segen für Pendula, das hier eine einmalige Chance erkannte. Ein wesentlicher Punkt der Gesetzesänderung ist, dass Unternehmen jetzt verpflichtet sind, ihren Müll nach stofflich verwertbaren Abfällen zu trennen, etwa nach Glas, Metall, Kunststoffen und so weiter. Ziel ist es die Recyclingquote deutlich zu erhöhen.
Damit das auch tatsächlich umgesetzt wird, besteht eine Dokumentationspflicht. In Wort und Bild muss jeder die Getrennthaltung seiner Abfälle festhalten, bei Verstößen droht ein Bußgeld in Höhe von bis zu 100.000 Euro. Unwahrscheinlich, dass dieses gleich fällig wird, zumal in der Anfangsphase der neuen Verordnung, in der viele Prozesse auch auf Seiten der Behörden noch optimiert werden müssen. Die Drohung steht dennoch im Raum, Grund genug für Unternehmen auf Nummer sicher zu gehen.
Pendula löst mit seiner App ein Problem der Abfallerzeuger
Und das am besten mit der Mein Recycling-App, die Pendula entwickelt hat. Mit dieser webbasierten App lassen sich alle geforderten Dokumentationsaufgaben erledigen und Entsorgungsunternehmen beauftragen. Die Basisversion, die zudem noch einfache Statistiken ermöglicht, ist kostenlos. Die Premiumversion bietet komplexere und langfristigere Auswertungen und kann beispielsweise auch für ein Müllvermeidungsmanagement eingesetzt werden.
Pendula hofft, langfristig über eine Million Kunden europaweit für sein Freemiummodell zu gewinnen. Schon früh unterstützt von den europäischen Initiativen EIT RawMaterials und Climate-KIC, sind inzwischen auch diverse Business Angels an Bord. Zu den Förderern gehören so bekannte Startup-Persönlichkeiten wie Christian Springub von Jimdo und Gunnar Froh von Wunder. Sie setzen auf den Erfolg der am 11. Oktober offiziell veröffentlichten Mein Recycling-App, die sich im Testlauf bei zwei Großkunden bereits bewährt hat.
Im Januar strebt Pendula eine Finanzierungsrunde in Höhe von 500.000 Euro an. Schließlich hat das Startup noch einiges vor: die App weiter zu verbessern, neue Kunden zu gewinnen und vielleicht alten, aber nach wie vor guten Ideen zu einer zweiten Chance zu verhelfen. Deshalb möchte das alles in allem fünfköpfige Team, das zurzeit in einem kleinen Büro im Mindspace seinen Sitz hat, auch wachsen. Gefragt sind Leute fürs Marketing und, wie könnte es anders sein, Entwickler. Es sieht also gut aus für Pendula, nicht zuletzt wegen einer scheinbar so drögen Angelegenheit wie der Gewerbeabfallverordnung.
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