Food Innovation Camp: So schmeckt die Zukunft
Eine Veranstaltung, auf der Startups ausstellen, ist immer auch Fenster zur Zukunft. Das war beim Food Innovation Camp diese Woche nicht anders. Zudem suchten mehrere Vorträge und Diskussionsrunden Antworten auf die Frage, wie unsere Ess- und Konsumgewohnheiten im Jahr 2030 oder 2050 aussehen könnten. Die spannendsten Trends und Prognosen fassen wir hier zusammen.
Der Lebensmittelhandel sei in den letzten 15 Jahren erheblich vielfältiger geworden, erklärte Fabio Ziemßen. Fabio ist bei der METRO Group „Head of Food Innovation and FoodTech“ und leitet den e-Food Blog, hat also einen ziemlich umfassenden Überblick über das, was in der Szene gerade passiert und noch passieren wird.
Essen als Ersatzreligion
Essen ist für viele inzwischen zur Ersatzreligion geworden. Manche Produkte werden als Superfood verherrlicht, Nahrungsgrundbestandteile wie Zucker oder Salz geradezu verteufelt. Das sind sicherlich Übertreibungen in beide Richtungen, doch der Trend zu mehr bewusster Ernährung setzt sich immer weiter durch, ebenso die Erkenntnis, das vieles so nicht mehr weitergehen kann, etwa in der Landwirtschaft.
Das Netzwerk Marktschwärmer bietet da eine Alternative. Es bringt Erzeuger und Verbraucher zusammen, Transparenz und Regionalität sind dabei wesentliche Kriterien. Wobei regional nicht provinziell bedeutet, im Gegenteil. Marktschwärmer ist in Frankreich unter dem Namen „La Ruche qui dit Oui!“ entstanden und mittlerweile in neun europäischen Ländern aktiv.
Food is the new Internet
Ein Bewusstseinswandel in Sachen Ernährung ist auch nicht gleichzusetzen mit einem Rückfall in vorindustrielle Zeiten, „Food is the new internet“, zitiert Fabio den Bruder von Tesla-Chef Elon Musk, Kimbal. Das bezieht sich natürlich auf die Wachstumschancen der Branche, aber auch die technologischen Möglichkeiten. Vom Interet of Food ist da die Rede, und auch Blockchain könnte irgendwie eine Rolle spielen.
Viel konkreter ist bereits In-vitro-Fleisch, im Labor erzeugtes Fleisch, das die umweltschädigende und nicht artgerechte Massentierhaltung ablösen könnte. Urban Farming wiederum ist die zukunftsträchtige Alternative zu nur durch Pestizideinsatz aufrecht zu erhaltenden landwirtschaftlichen Monokulturen. Und was spricht eigentlich gegen Insekten als Nahrungsquelle? Die sind am Ende auch nicht gewöhnungsbedürftiger als Speisen aus dem 3D-Drucker wie dem Foodini, den das spanische Startup Natural Machines entwickelt hat.
Ein zentrales Thema: Kampf der Verschwendung
Die Liste an Innovationen und Unternehmen, die sich mit ihnen beschäftigen, ließe sich beliebig fortsetzen. Beschränken wir uns also für heute auf die Teilnehmer der Runde, die unter dem Motto „Food 2050“ beim Food Innovation Camp zusammenkam. Ein zentrales Thema war da der Kampf gegen die Verschwendung. Bis zu 30 % der Lebensmittel werden heutzutage noch weggeworfen, obwohl viele davon noch ohne Bedenken zu konsumieren wären. Schuld ist unter anderem das Mindesthaltbarkeitsdatum, das viele Verbraucher fälschlicherweise als Verfallsdatum interpretieren.
Viel sinnvoller wäre da ein Frische-Index, der den tatsächlichen Qualitätssatus einer Ware anzeigt. Genau das ist der Ansatz von tenso aus Stuttgart. Eine lückenlose Überwachung der Temperatur eines Produktes während das gesamten Lieferprozesses und im Handel lässt eine verlässliche Aussage über die Frische und Haltbarkeit von Lebensmitteln zu.
Das verhindert allerdings nicht, dass beispielsweise in der Gastronomie enorm viel übrig bleibt, was normalerweise im Müll landen würde. Oder besser auf der aus Finnland stammenden Plattform ResQ, wo Kunden das günstig kaufen können, was Restaurants und Hotels nicht verwerten konnten. Da das Angebot nicht planbar ist und von Tag zu Tag schwankt, ist ResQ kein vollwertiger Ersatz für einen Supermarkt, dafür lassen sich dort mit gutem Gewissen kulinarische Schnäppchen machen.
Der Kampf gegen die Verschwendung wird in Zukunft sicher noch einige erfolgversprechende Geschäftsmodelle hervorbringen. Schon heute erfolgreich ist Just Spices, das als ein Vorreiter gelten kann für einen weiter wachsenden Trend. Man nehme längst bekannte und etablierte Produkte, in diesem Fall Gewürze, lege wert auf die Qualität der Zutaten (bio, keine Zusatzstoffe), wage ein bisschen Innovation (bei Just Spices: Früchte in die Würzmischungen) und erzählte eine gut zu vermarktende Geschichte drumherum.
Kommt das Essen der Zukunft aus dem Weltall?
Das ist die Gegenwart vieler Food-Startups. Weitaus futuristischer mutete da an, was Lars Schanz vom Deutschen Institut für Luft und Raumfahrt (DLR) zu erzählen hatte. Er ist beteiligt an der Entwicklung energiesparender Methoden zur Nahrungsmittelproduktion im Weltall. Das ist eine Geschichte für sich wert, nur eines sei hier verraten: Urin spielt dabei ein nicht unwesentliche Rolle. Im Allgemeinen sieht Lars Europa technologisch auf Augenhöhe mit den USA, nur sei dort die Risikobereitschaft höher.
Hierzulande sei der Schritt aus dem Labor in die praktische Anwendung schwieriger, bedingt durch eine Skepsis, die er im Zusammenhang mit Gentechnik aber durchaus auch positiv bewertet. Und wie wird nun die Food-Welt im Jahr 2050 aussehen? Dazu mochte sich Lars, wie auch die anderen Gesprächsteilnehmer, nicht äußern, zu schnell und unvorhersehbar entwickle sich alles. Einig waren sich alle, dass die Tendenz zur Sparsamkeit gehen muss, ohne dabei auf Genuss zu verzichten.
Auch der Vortrag von Max Thinius beim Food Innovation Camp ließ Einblicke in die Zukunft erhoffen. Schließlich gilt Max als Food-Futurologe. Er ist außerdem Unternehmenssprecher von AllyouneedFresh, weshalb er sich hauptsächlich mit dem Onlinehandel von Lebensmitteln beschäftigte. AllyouneedFresh ist ein Online-Supermarkt und als Tochterunternehmen der Deutschen Post besonders stark in Fragen der Logistik.
Und die sorgt gerade im Food-Bereich für spezielle Herausforderungen. Lebensmittel sind empfindlich und müssen besonders sorgfältig verpackt werden. Dabei sollte aber nicht zu viel Müll entstehen, weshalb sich Mehrwegsysteme immer mehr durchsetzen. Oft steckt der Teufel zudem im Detail: Tetrapacks halten viel Druck von oben aus, aber nicht von der Seite, Birnen vertragen sich nicht Bananen. Solche und viele andere Dinge müssen bei der Zusammenstellung der Pakete berücksichtigt werden.
Bei Lebensmitteln sollte das Bestellen so einfach wie möglich sein
Auch sieht die Webseite eines Online-Lebensmittelhändlers anders aus als übliche Webshops. Die Kunden suchen hier nicht nach Einkaufserlebnissen und wollen nicht lange stöbern, sondern schnell und schnörkellos ihren Warenkorb füllen. Der nächste Schritt der Vereinfachung bei AllyouneedFresh war die Einführung eines Chatbots, der über WhatsApp Einkaufslisten entgegennimmt und in Kaufangebote umwandelt.
Was folgt, dürfte die Bestellung per Spracheingabe sein. Vielleicht setzt sich auch der Mülleimer durch, der die Barcodes der weggeworfenen Verpackungen erkennt und entsprechend nachbestellt – sein Kollege, der smarte Kühlschrank hat es ja bisher nicht geschafft. So oder so, Max ist davon überzeugt, dass sich der Online-Lebensmittelhandel, der zurzeit noch ein Nischendasein führt, auf breiter Front durchsetzen wird. Amazon Fresh wird ihm da zustimmen.
Das Problem bei allen Prognosen ist bekanntlich, dass sie die Zukunft betreffen, und die ist weitgehend unbekannt. Was das Food Innovation Camp angeht, sind wir jedoch zuversichtlich, das die Premiere vom 17. Juli 2017 eine Fortsetzung finden wird. Wir halten Euch auf dem Laufenden!
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