Sonnige Aussichten beim Hamburger Fintech Roundtable
„Quo vadis, Hamburger Fintechs? Wie Startups die Hansestadt zur Finanzmetropole machen.“ So lautete das Thema einer hochkarätig besetzten Expertenrunde, die sich vergangenen Donnerstag in der Hafencity versammelt hatte. Exporo begrüßte als Gastgeber Vertreter der Politik und von figo, Kreditech und Zinspilot. Die hatten sich einiges zu sagen.
Die Rahmenbedingungen hätten nicht besser sein können: Bei strahlendem Sonnenschein war der Ausblick vom siebten Stock auf die Elbphilharmonie und die Hafencity herrlich, und in den Räumen von Exporo Am Sandtorkai 70 war alles perfekt vorbereitet für ein Gipfeltreffen der Hamburger Fintech-Szene. Am Vorabend habe das hier noch nicht so ordentlich ausgesehen, gestand Simon Brunke, Gründer und CEO des Gastgebers. Kein Wunder, Exporo ist erst vor drei Wochen in die neuen Büros eingezogen. Der Spezialist für Immobilien-Crowdinvesting brauchte mehr Platz für seine inzwischen fast 60 Mitarbeiter.
Auch das Bundesfinanzministerium setzt verstärkt auf Fintech
Das Unternehmen steht damit exemplarisch für den wachsenden Erfolg von Fintechs aus der Hansestadt. Und auch deutschlandweit findet das Thema immer mehr Beachtung. So gibt es beim Bundesfinanzministerium inzwischen ein Referat für „Digitale Finanztechnologien, Zahlungsverkehr und Finanzsanktionen“, dessen Leiterin Doris Dietze ebenfalls am Roundtable teilnahm. Vor einer Woche hatte zum ersten Mal ein frisch gegründeter Fintechrat getagt, dem neun Startups aus der Finanzwelt angehören.
Eines aus Hamburg ist nicht dabei, aber das liegt nicht an der geringen Bedeutung des Standorts. Tatsächlich müsse sich die Hansestadt hinter dem Branchenprimus Berlin nicht verstecken, waren sich die Diskutanten einig. Bemerkenswert, dass die Bankenmetropole Frankfurt während der Diskussion kaum erwähnt wurde. André M. Bajorat von figo hielt die Frage nach der Konkurrenz zwischen einzelnen Standorten sowieso für künstlich angeheizt. Vielmehr gehe es darum, die richtigen Rahmenbedingungen für Deutschland und ganz Europa zu schaffen, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können.
Regulierung muss sein, aber in Maßen
In diesem Zusammenhang fiel immer wieder der Begriff „Regulatorien“. Fintechs müssen sich mit zahlreichen gesetzlichen Vorschriften und Einschränkungen auseinandersetzen. Doris Dietze begründete dies mit dem erhöhten Risiko, das oft mit Finanzprodukten einhergehe, und dem notwendigen Verbraucherschutz. Ein Unternehmen wie Kreditech ist deshalb am deutschen Markt gar nicht aktiv mit seinem Geschäftsmodell, Menschen Kredite zu geben, die sie anderweitig nicht bekommen. Die Kreditwürdigkeit wird dabei unter anderem anhand von Daten aus den sozialen Medien geprüft.
In absehbarer Zukunft sei es auch gar nicht das Ziel, Kredite in Deutschland anzubieten, sagte Kreditech-CEO Alexander Graubner-Müller. Viel mehr Potenzial böten Länder wie Brasilien oder Indien. Das Unternehmen selbst bleibt aber in Hamburg, obwohl er Berlin vorn sieht, was die Qualität der Fachkräfte dort angeht. Insgesamt waren sich die Teilnehmer der Runde aber einig, dass Hamburg attraktiv sei als Ort zum Leben und Arbeiten. Grundsätzlich gibt es das Problem, ausländische Fachkräfte unbürokratisch in den hiesigen Arbeitsmarkt einzugliedern.
Ein weiteres Beispiel für ausufernde Bürokratie jenseits der Finanzregulierung ist der Eintrag ins Handelsregister. Der kann acht Wochen und länger dauern und bedeutet Papierkram, während sich vergleichbare Anträge in anderen Ländern online und im Idealfall innerhalb von 24 Stunden erledigen lassen. Hier ist die Politik gefordert, für die auch Michael Kruse, Startup-Experte der Hamburger FDP, am Roundtable teilnahm. Er forderte unter anderem, dass Startups problemlos Zugang zu den sogenannten Clustern bekommen müssten, in denen Hamburg jeweils Kompetenzen bestimmter Branchen bündelt.
Banken werden zu Softwareunternehmen
Wesentlich für den Digitalstandort Deutschland wird sein, welche Schwerpunkte zukünftig in der Bildung gesetzt werden. Michael Kruse brachte Programmieren als zweite Fremdsprache ins Gespräch. André M. Bajorat fürchtete, dass Banken die Arbeitslosen der Zukunft ausbilden könnten, wenn sie sich nicht auch als Softwareunternehmen begreifen würden. Zumindest Fintechs gegenüber haben sich Banken in den letzten zwei Jahren deutlich geöffnet. Davon profitiert figo, das Softwarelösungen für solche Kooperationen anbietet.
Auch bei Deposit Solutions klappt die Zusammenarbeit mit den etablierten Finanzinstituten. Das Startup bietet mit seiner Plattform Zinspilot bankenübergreifend die besten Konditionen auf Fest- und Tagesgeld. 50.000 Privatkunden konnten dafür bereits gewonnen werden, aber die dahintersteckende Software ziele vor allem auf das B2B-Geschäft, erklärte Zinspilot-CMO Andreas Wiethölter. Die Banken zu überzeugen sei zwar immer noch kein Selbstgänger, falle aber inzwischen wesentlich leichter.
Alles in allem verlief die Diskussion ziemlich harmonisch. Hamburg ist schön und ein toller Platz zum Arbeiten, Fintechs mit soliden Geschäftsmodellen gehört die Zukunft, die Politik sollte Ihnen das Leben erleichtern, ohne sie völlig von der regulatorischen Leine zu lassen, und Hamburg sollte dafür seine Ansprechpartner in Sachen Digitalisierung besser unter einen Hut bekommen. Ein solches Fazit könnte so oder so ähnlich wahrscheinlich jeder aus der Runde abnicken, und vieles davon gilt sicherlich für Startups insgesamt. Wir werden auf jeden Fall die hiesige Fintech-Szene weiterhin mit News und Berichten begleiten!
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