FinGym – Fitness für die Finanzmuskeln
Fitness, das ist ein Megathema, welches sich nicht nur auf das körperliche Wohlbefinden beschränken sollte. Gerade in Zeiten niedriger Zinsen und ungewisser Altersvorsorge müssen alle auch in Finanzfragen fit sein. Deshalb gibt es jetzt das Hamburger Startup FinGym, und wir haben mal nachgeschaut, was man dort alles lernen kann.
FinGym ist ein typisches ganz junges Startup: Gerade Anfang diesen Jahres gegründet und so richtig erst seit wenigen Wochen aktiv. FinGym ist aber auch ein typisches Fintech-Startup, denn das Gründerduo besteht nicht aus frischgebackenen Uniabsolventen, sondern aus zwei Personen mit viel Berufserfahrung. Franziska Luh hat schon 10 Jahre Arbeitsleben hinter sich, bei Thorsten Stoll sind es sogar 17 Jahre.
Der Bedarf ist groß, das Misstrauen auch
Kennengelernt haben die beiden sich bei einem Projekt für eine etablierte Tradingbank, sie fest angestellt, er als fester freier Berater. Der Plan: Die Bank, die bisher einen eher kleinen Kundenkreis angesprochen hatte, wir eine breitere Zielgruppe attraktiv zu machen. Zwei Dinge haben sie damals festgestellt: Vielen Normalverbrauchern fehlt selbst das Basiswissen in Finanzfragen, weil sie sich nicht gern damit beschäftigen möchten. Und sie misstrauen Informationsangeboten, die von einer Seite kommen, die auch etwas zu verkaufen hat. Da wird dann mehr Werbung als objektive Aufklärung vermutet.
Diese Erfahrungen führten im Herbst 2015 zu der Idee, sich mit einer Art Fitnessstudio für Geldfragen selbstsändig zu machen. Das musste dann erstmal etwas sacken und gären, bis die beiden dann Februar 2016 den Schritt wagten, der vor allem für Franziska ein ziemlich großer war. Eben noch mit sicherem Job und ordentlicher Bezahlung, plötzlich völlig auf sich gestellt und ohne jedes Einkommen, befasst mit einer Fülle von Dingen, mit denen sie ich noch nie hatte beschäftigen müssen.
FinGym, so hieß das brandneue Startup, fand Unterschlupf in den Räumen der Kollegen von Findeling, die eine App für lokales Shopping im Angebot haben. Und ein bisschen durch Zufall nur wenige Wochen nach Gründung auch einen kongenialen Partner. Während der Social Media Week besuchten Franziska und Thorsten eine Veranstaltungen zum Thema Fintech und hörten dabei erstmals von der Startup Garage der comdirect.
Die Startup Garage der comdirect als idealer Partner
Das Konzept des Inkubators überzeugte sie sofort: Coaching und Unterstützung durch echte Finanzprofis mit großemNetzwerk, 10.000 Euro Fördergeld und keinerlei Verpflichtung, Anteile von seinem Unternehmen abzugeben. Spontan nahmen sie Kontakt auf und stießen mit ihrer Idee auf offene Ohren. Das Bewerbungsverfahren lief dann ziemlich reibungslos, im Mai kam die Zusage, und im Juni ist FinGym ins betahaus eingezogen, wo die Startup Garage ihren Sitz hat.
Jetzt wird es aber Zeit zu erklären, mit welcher Idee FinGym überzeugen konnte (siehe auch das Video oben). Nach eigener Definition geht es um den Aufbau von finanzieller Fitness. Im Mittelpunkt steht dabei ein Kursangebot in drei Stufen. Während des Basisprogramms werden Grundkenntnisse vermittelt zu allen wesentlichen Fragen rund ums Geld. Das anschließende Athletenprogramm stärkt dann besonders bestimmte „Muskeln“, etwa zum Thema Eigenheimfinanzierung oder private Altersvorsorge. Und das Championsprogramm bietet dann echtes Expertenwissen für ein passives Einkommen.
Der erste Kurs hat gerade begonnen
Die Programme 2 und 3 sind noch Zukunftsmusik, die Basisschulungen haben bereits begonnen. In einem Zeitraum von insgesamt 12 Wochen finden es sechs Präsenztrainings und tägliche kleine „Workouts“ statt, zum Beispiel Quizspiele, die auf dem behandelten Stoff basieren. Zur ersten Trainingseinheit gibt es von den Teilnehmern schon einiges an positiver Resonanz:
– Danke für das erste Training gestern. Tolle Truppe und ich bin heute deutlich motivierter, als ich euch gestern verlassen habe…– Ich erfasse mein Budget immer morgens am Küchentisch bei einer Tassee Kaffe bevor es zur Arbeit geht.– Ich versuche beim Mittagstisch die günstigeren Gerichte zu nehmen und kein Getränk zu bestellen…. das sind schon mal 3-4€ pro Tag…
– Ich habe heute meinen Mobilfunkvertrag gekündigt für ein Telefon dass ich seit 1 Jahr nicht mehr nutze…Danke auch!
In der ersten Trainingsgruppe befinden sich naturgemäß einige, die Franziska und Thorsten schon vorher kannten. Mit Marketing hat sich FinGym bisher zurückgehalten. Das wichtigste ist Vertauen aufzubauen, und das geht noch am besten durch Mundpropaganda. Das Potenzial ist allerdings riesengroß, da ist man sich sicher. Vier Hauptzielgruppen haben die beiden ausgemacht und auch benannt:
Markus, der Pragmatiker. Geht an das Thema eher nüchtern ran, hat Interesse, aber nicht viel Zeit und ist manchmal etwas chaotisch.
Ella, die Ästhetin. Findet Finanzfragen irgendwie unschön, ist sich aber klar, dass sie sich darum kümmern muss.
Niels, der Aufsteiger. Ist ein Berufseinsteiger, der sich kümmern möchte, aber glaubt, mit seinem Einkommen noch nicht viel ausrichten zu können.
Naina, die Einsteigerin. Benannt nach einer Schülerin, die durch folgenden Tweet bekannt geworden ist: „Ich bin fast 18 und hab keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen. Aber ich kann ’ne Gedichtsanalyse schreiben. In 4 Sprachen.“
Für diese vier und die Millionen, die sie repräsentieren, soll das Angebot Schritt für Schritt ausgebaut werden. Angedacht sind beispielsweise Tutorials und Webinare, die eineln zu buchen sein werden. Oder eine Plattform, über die durch das Training fit gewordene Kunden die passenden Finanzprodukte erwerben können. Die wird allerdings garantiert nicht FinGym heißen, denn Unabhängigkeit ist schon wegen der Glaubwürdigkeit essentiell für das Fintech-Startup.
Oder heißt es FinEdu? Vielleicht FintechEdu? Letztlich egal, Hauptsache dern Lerncharakter wird bei der Bezeichnung deutlich. Ob Menschen dafür auch Geld ausgeben wollen? Franziska zeigt sich da trotz der im Netz weit verbreiteten Gratiskultur optimistisch. Erfolgreiche Beispiele aus den USA und, tatsächlich, Österreich unterstützen das.
Mittlerweile besteht FinGym aus fünf bis sechs Personen, je nachdem, wen man alles dazuzählen möchte, und den Coaches, Experten für Erwachsenenbildung. Im September zieht das Startup in ein eigenes Büro. Dann endet offiziell auch die Zeit in der Startup Garage. Der Zeitraum ist allerdings nicht verbindlich, es kann durchaus sein, dass die comdirect ein Interesse an einer weiteren Zusammenarbeit hat. Auch das wäre dann wieder typisch Fintech: Startups und etablierte Banken passen oft gut zusammen.
Zu den Fotos: Das Beitragsbild zeigt Franziska Luh und Thorsten Stoll. Die übrigen Fotos sind während des ersten Präsenztrainings entstanden.
Fintechs made in Hamburg – unser Hamburg Startups Dossier
Um dem Fintech-Standort Hamburg ein wenig besser kennen zu lernen, hat Hamburg Startups gemeinsam mit den Partnern comdirect bank AG, der Sutor Bank und der Ginkgo Management Consulting das Hamburg Startups Fintech-Dossier ins Leben gerufen.
Der Sommer 2016 steht somit ganz im Zeichen der Finanzbranche: Mit spannenden Insights in das Hamburger Fintech-Ökosystem, Portaits- und Interviewreihen sowie interessanten Gastbeiträgen unserer hiesigen Fintech-Experten.
Das ist die Hamburger Fintech-Szene – Gastbeitrag von Carolin Neumann
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