Sanja Stankovic: „Hamburg Startups hat mich unglaublich oft inspiriert“
Viele Jahre war Hamburg Startups untrennbar mit den Namen Sina Gritzuhn und Sanja Stankovic verbunden. 2020 trennten sich die Wege der Gründerinnen, die Freundschaft blieb erhalten. Im Interview blickt Sanja zurück auf die Anfangszeit, die vielen gemeinsamen Erlebnisse und Erfahrungen und was ihr Hamburg Startups bis heute bedeutet.
Sina und du, wie habt ihr beide euch kennengelernt?
Sina und ich sind uns immer mal wieder bei verschiedenen Events der Digitalbranche in Hamburg über den Weg gelaufen, kannten uns „vom Sehen“ und haben mal „geschnackt“ – wie man das so bei uns in Hamburg sagt. Das erste Event war ein Format der Digital Media Women. 2013 war Sina als Reporterin für Hamburg@Work tätig, das damalige Hamburger Digitalcluster, und hat zudem auf ihrem eigenen Blog über das Startup-Ökosystem berichtet. Ich hatte mich damals als freie Beraterin selbstständig gemacht und unter anderem für die Konferenz des Reeperbahn Festivals den Interactive-Part – nach dem Vorbild der SXSW (South by Southwest) – mit konzipiert.
Wie kam es dazu, dass ihr euch damals entschlossen habt, zusammen Hamburg Startups zu gründen?
Nach der Dotcom-Blase war die Begeisterung für digitale Geschäftsmodelle in Hamburg durchaus begrenzt. Das Hamburger Startup-Ökosystem war damals kaum sichtbar und es gab wenige Formate, die sich ganz konkret an Startups richteten. Die OMR ging damals mit 1.200 Besucherinnen und Besuchern in die dritte Runde. Und die Digitalszene fand ein Zuhause im betahaus mit verschiedenen Event-Formaten. Dennoch fand Hamburg als Startup-Standort in der nationalen Wahrnehmung einfach nicht statt. Während der Konzeption für die Interactive-Formate des Reeperbahn Festivals gab es Meetings mit den großen Tech-Playern, Medien und Games-Unternehmen in Hamburg und wir diskutierten lange darüber, welche Themen für eine Interactive-Konferenz in Hamburg relevant wären. Beim Thema „Startup“ winkten alle ab.
Das hat mich getriggert – Ich wusste, dass Hamburg großartige Gründerinnen und Gründer hat und dass wir sie sichtbar machen müssen.
Sina hatte als Journalistin den Anspruch das Startup-Ökosystem darzustellen und stieß immer wieder an Grenzen. Es gab keine Daten und kaum Informationen. Selbst die Definition eines „Startups“ wurde kontrovers diskutiert. Ihr war klar, dass es Daten und Fakten braucht, damit die Relevanz von Startups politisch ernst genommen wird. Sie fing an Informationen zu sammeln, zu analysieren, Startups zu interviewen und Daten zu sammeln. Erst in einer Excel-Liste und dann begann sie am Konzept einer Startup-Datenbank zu arbeiten.
Im Austausch mit einem gemeinsamen Kontakt saßen wir zusammen – haben bei einem Lunch entschieden ein Netzwerk-Event gemeinsam zu organisieren. Und dann haben wir gegründet.
Wie wichtig war es für eure Zusammenarbeit, dass ihr auch eure eigenen Projekte innerhalb von Hamburg Startups verwirklichen konntet (zum Beispiel das Food Innovation Camp oder der Reeperbahn Pitch)?
Diversität – im Sinne des Konzeptes von Vielfalt – ist der Schlüssel. Ein Unternehmen gemeinsam zu gründen hat Parallelen zu einer Partnerschaft, beziehungsweise Ehe. Man braucht ein gemeinsames Wertegerüst, sollte sich komplementär ergänzen, sollte Höhen und Tiefen gemeinsam mit einem Lächeln durchstehen, sich kritisieren können und sich immer unterstützen. Das geht, wenn man ein gemeinsames Ziel hat. Sina und ich sind sehr unterschiedliche Persönlichkeiten – und waren bei entscheidenden Punkten immer klar einer Meinung. Unser Freiraum und ein eigener Gestaltungsspielraum waren für uns beide von Beginn an immer sehr wichtig. Wir kamen beide mit eigenen Projekten zusammen und es war immer klar, dass wir innerhalb des Gesamtkonzeptes beide unsere Spielwiese brauchten.
Was ist deine schönste oder lustigste Erinnerung aus deiner Zeit bei Hamburg Startups?
Es ist einfach unmöglich, die vielen Momente, Erlebnisse und Erfahrungen an nur einer Erinnerung festzumachen. Ich habe so viel erlebt. Manchmal war ich auch frustriert – aber ehrlich gesagt: Meistens haben wir gelacht und haben mit wahnsinnig viel Freude die Projekte umgesetzt.
Was hast du für deine weitere berufliche Laufbahn aus all deinen Jahren bei Hamburg Startups mitgenommen?
Können wir den Artikel über mehrere Seiten strecken? (lacht) – Unglaublich viel habe ich mitgenommen und nehme es immer wieder mit. Ich habe viel über Unternehmertum kennengelernt – mit unserem Unternehmen, aber natürlich auch über die Startups, die wir begleitet haben. Ich wurde unglaublich oft inspiriert von vielen Geschichten und Menschen. Über die Arbeit habe ich ein großartiges Netzwerk aufgebaut, welches mich auch dahin gebracht habe, wo ich heute bin.
Wir haben als Gründerinnen unglaublich viel gelernt. Wir haben uns vieles getraut, haben Lehrgeld bezahlt und haben sehr viel erreicht. Darauf bin ich sehr stolz.
Was waren deine Ambitionen und Intentionen bei der Mitgründung von Digital Media Women? Inwieweit hat dich dieses Projekt auf deinem späteren beruflichen Werdegang begleitet?
Ich war damals regelmäßig auf Events der Digitalbranche und hatte dabei immer ein Störgefühl. Auf der Bühne standen fast ausschließlich Männer – oftmals noch die gleichen. Das Argument war immer: Es gibt ja keine Frauen, die zu dem Thema Expertinnen sind. Der Blick ins Publikum sprach eine andere Sprache. Das sahen sieben anderen Frauen auch so und so beschlossen wir etwas zu ändern und die Expertinnen der Digitalszene sichtbarer zu machen. Erst in Hamburg, dann deutschlandweit mit über 30.000 Community-Mitgliedern und 100 ehrenamtlich engagierten Frauen. Lange bevor es gute kollaborative Tools gab, haben und mussten wir Wege der Zusammenarbeit als Team finden. Das prägt mich bis heute und ich bin wahnsinnig dankbar für diese Erfahrung, die täglich zum Einsatz kommt. Haltung zu haben und sich für bestimmte Werte und eine bessere Gesellschaft einzusetzen, macht einen immer reicher – ich habe unwahrscheinlich viele wertvolle Kontakte, Erfahrungen und Freunde gewonnen.
Was sind für dich die signifikantesten Unterschiede in der Arbeit mit und in Startups und etablierten Firmen/Konzernen?
Beide haben ihre Vor- und ihre Nachteile. Am Ende können beide nur erfolgreich sein, wenn das Produkt gut und der Markt dafür vorhanden ist. Man muss bereit sein sich zu verändern (Startups müssen irgendwann eben doch Prozesse haben und etablierte Unternehmen, Wandel und Veränderung annehmen), man muss offen für Feedback (von Kunden, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, den richtigen Beratern) und Innovation sein (beim Produkt, aber auch im Marketing). Die Liste kann man unendlich weiterführen und natürlich sind die Grundvoraussetzungen bei Startups oft andere. Die Grundwerte für erfolgreiches Unternehmertum bleiben letztendlich immer die gleichen.
Die berufliche Trennung von dir und Sina lief ja auf freundschaftliche Weise ab. Wie würdest du euer Verhältnis heute beschreiben?
Wir haben uns gemeinsam auf ein aufregendes Abenteuer eingelassen. Als eine Mischung aus Netzwerk, Plattform, Medium und Eventveranstalter haben wir eine Lücke gefüllt, die das Ökosystem brauchte. Gerade die redaktionellen Inhalte zu monetarisieren war und ist nicht einfach. Bei unseren Formaten und dem Startup Monitor und haben wir viel investiert und konnten dies mit Unterstützung der Partner aufbauen und einem großartigen Team. Während Sina von Beginn an Vollzeit dabei war, habe ich anfangs freiberuflich und dann fest angestellt gearbeitet. Das wurde immer mehr zum Spagat. Der Gedanke auszusteigen, begann beim letzten Reeperbahn Pitch 2019 und fiel final im März 2020.
Der Reeperbahn Pitch mit über 1000 Gästen war ein voller Erfolg, aber ein Glücksgefühl hatte ich am nächsten Tag nicht. Die Erwartungshaltung vieler Startups, Investoren und Teilnehmer war, dass all das Programm kostenlos ist und die Verpflegung dazu. Man hat uns und unsere Arbeit als selbstverständlich angesehen. Nachdem nach monatelanger Arbeit und Planung die SXSW 2020 als eines der ersten Events Corona zum Opfer fiel und plötzlich einige Partner nicht mehr zahlen wollten, obwohl ein Großteil der Kosten angefallen war, habe ich für mich ganz persönlich entschieden, dass ich diesen Spagat nicht mehr leisten kann und will. Sina und ich haben besprochen, wie wir alles umsetzen und mir war wichtig, dass alles weitergehen kann. Ich bin und werde immer Teil des Teams sein und Hamburg Startups ein Herzensprojekt. Wir unterstützen uns gegenseitig und bleiben immer eine Familie.
Wenn du jetzt für ein Event zu Hamburg Startups zurückkehrst, worauf freust du dich dann am meisten?
Auf das Team, Weggefährten und die vielen großartigen, gemeinsamen Erinnerungen.
Das Beitragsbild stammt aus dem Jahr 2015.